Oper „I puritani“ ohne Happy End

Düsseldorf · Rolando Villazóns Inszenierung von Bellinis Oper feierte Premiere in Düsseldorf. Und wurde gefeiert. Zurecht?

 Umgedeutetes Finale von „I puritani“ mit Adela Zaharia, Sarah Ferede und Ioan Hotea mit dem Chor der Deutschen Oper am Rhein.

Umgedeutetes Finale von „I puritani“ mit Adela Zaharia, Sarah Ferede und Ioan Hotea mit dem Chor der Deutschen Oper am Rhein.

Foto: Hans Jörg Michel

Happy Ends in Opern sind auch nicht mehr das, was sie früher einmal waren. Nein, nicht, dass wir uns nach einer guten alten Zeit sehnen würden. Andererseits ein bisschen schön gemachter Theaterzauber mit stimmungsvollen Bildern und nicht minder zuckrigen Kostümen kann auch viel Charme haben.

Doch just – natürlich nicht nur – bei Bellinis „I Puritani“, die eher auf die poetische Sinnlichkeit der Melodie setzt, fällt es schon auf, dass man sich nicht darauf verlassen kann, am Ende mit dem wohlig-warmen Gefühl das Opernhaus zu verlassen, dass doch alles nochmal gutgegangen ist. Und ja, die neue Inszenierung der Belcanto-Oper an der Deutschen Oper am Rhein, geschaffen von einem Team (die Teamarbeit wird von den Beteiligten explizit betont) um Rolando Villazón reiht sich in die stattliche Schar der Interpretationen des Stoffes, die dem der vor Liebesleid verrückt gewordenen Elvira und ihrem dann doch treuen und scheinbar dann doch nicht treuen vergötterten Heldenmann am Ende keine echte Erlösung gönnen.

Adela Zaharia glänzt mit wunderbarer Präsenz

Die schon während des gesamten Geschehens in dieser Inszenierung immer nah am Wahn angelegte Elvira – nicht nur gesanglich mit wunderbarer Präsenz verkörpert durch Adela Zaharia –, darf schlussendlich nicht ihren Romeo – Verzeihung: ihren Arturo – voll Liebesglück in die Arme schließen. Denn Villazón und sein Team (Bühne: Dieter Richter, Kostüme: Susanne Hubrich, Licht: Volker Weinhart und Dramaturgie: Anna Melcher) lassen schließlich doch Arturo (Ioan Hotea) und die Königswitwe Enrichetta (gesungen von Sarah Ferede) zusammenkommen.

Hierzu sei die Geschichte kurz erzählt. Englischer Bürgerkrieg zwischen protestantischen Puritanern und den katholischen Königstreuen. Elvira liebt den Royalisten Arturo, ist jedoch Riccardo (Jorge Espino) – ein Puritaner – versprochen. Schließlich gelingt es, die Einwilligung von Elviras Vater und Generalgouverneur Gualtiero (Günes Gürle) dafür zu bekommen, dass Elvira ihren geliebten Arturo heiraten darf. Jener jedoch rettet kurz vor der Hochzeit Enrichetta, die Witwe Karls I., und entflieht mit ihr. Ein Akt des Mitleids. Elvira sieht sich betrogen und verfällt dem Wahn. Arturo wird als Verräter zu Tode verurteilt. Als er zurückkehrt, überzeugt er Elvira von seiner Treue, doch wird festgenommen. Schließlich kommt die Nachricht von seiner Begnadigung – dank Giorgios, Elviras Onkel, (Bogdan Talos) Einsatz –, und alles wird gut. Eigentlich.

Doch „I Puritani“ lebt auch von der besonderen Qualität von Bellinis Gesangslinien, die sich wie Butter auf die Stimmen der Sänger zu legen scheinen – und dennoch so höllisch schwer sind. Aus alledem muss ein stimmiges Ganzes geschmiedet werden, dass nicht in die Falle von Trivialität oder einer übermäßigen Verfremdung des Stoffes und der, des Stückes zueigen seienden Aura, tappt.

Die Inszenierung setzt zwar mit einem traditionellen Bühnenbild, das an eine Kirche, ein Parlament und später auch vielleicht an eine Irrenanstalt erinnert, auf eine mit Grünspan überwucherte düstere Grundstimmung, die sich zudem in den ebenfalls recht minimalistischen, aber traditionellen Kostümen widerspiegelt. Doch sucht die Regie immer wieder den Bruch mit der im Stück auch musikalisch gezeichneten bigotten Welt. So sehen wir immer wieder die Qualen von Doppelzüngigkeit, die sich real an einem Pranger ablesen lässt. Eine Welt, in der Unangepasste mit einem Kreuz um den Hals als Aussätzige behandelt werden, eine Welt in dem oft auch mehr Erstarrung herrscht. Wenngleich: Wirklich statisch ist das Ganze nicht. Gute Einfälle sind etwa ein großes Bild über Elviras Bett, das zeitgleich durchscheinend als eine Art zweite Erzählebene dienen kann. Weniger gute sind aus der Mottenkiste – von der Seitenbühne bedrohlich hineingreifende Hände, einstürzende Mauer und Co. – und hätten auch dort belassen werden sollen.

Diese Inszenierung tut niemanden weh, sie setzt zwar einiges gegen den Originalstoff, doch vermag trotzdem durchaus anrührende Momente zu evozieren. Vielleicht kam sie auch deshalb so derart gut bei dem Publikum an.

Doch die Premiere am Opernhaus Düsseldorf unter Leitung von Antonino Fogliani, der diesmal die Duisburger Philharmoniker leitete, lebte vor allem aus der Synergie zwischen Gesang und Szene. So wie es sich für einen Bellini gehört. Adela Zaharias klare, dramatische und emotional vielschichtige Stimme betört, tendierte sie auch – dem Stoff geschuldet? – auch mal in den Höhen zu einer für sie ungewöhnlich offenen Schärfe. Vielleicht wollte die wunderbare Sopranistin bei ihrem Rollendebüt auf Nummer sicher gehen. Ioan Hotea wiederum hat so viel Schmelz in seinem zauberhaft schönen Tenor, dass es fast schon zu schön ist. Und es wäre auch zu schön, um wahr zu sein. Denn leider ist diese Stimme fragiler als vermutbar, was sich vor allem in der zweiten Hälfte des Abends in punktuellen Unsicherheiten zeigte. Aber bei dem Material! Ja. Musikalisch gebärdete sich die Produktion bis auf wenige Ausnahmen durchweg erfreulich. Dies ist allen Sängern (auch dem jungen Andrés Sulbarán) zu verdanken. Hätte man sich auch mehr Raffinesse von den Duisburgern gewünscht, was aber bei der beherzten Leitung Foglianis nun mal nicht so sehr im Fokus stand. Besondere Erwähnung verdient übrigens auch der – nicht nur gesanglich – schön agierende Chor unter der Leitung von Patrick Francis Chestnut.

Und was bleibt von diesem Puritani? Villazóns Regie schafft schöne Bilder und Reibung. Doch schlussendlich bleibt das Gefühl, dass irgendetwas gefehlt haben mag.

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