In Düsseldorf gibt es jedes Jahr Kunst für 700 000 Euro

Die Kunstkommission wird in der nächsten Ratssitzung beschlossen. Top-Künstler sitzen in der Jury. Eine Analyse.

In Düsseldorf gibt es jedes Jahr Kunst für 700 000 Euro
Foto: Judith Michaelis

Wenn am 14. Dezember der Stadtrat die Kunstkommission absegnet, übernehmen die Künstler die Verantwortung für die Kunst am Bau und im öffentlichen Raum. 700 000 Euro dürfen sie dann jährlich ausgeben. Das ist eine stattliche Stange Geld, die nicht aus dem Kulturetat, sondern aus dem allgemeinen Haushalt kommt.

In Düsseldorf gibt es jedes Jahr Kunst für 700 000 Euro
Foto: Judith Michaelis

Politik und Verwaltung sitzen mit im Boot, allerdings im Wesentlichen beratend. Sie brauchen sich jedoch keine Sorge zu machen, denn Düsseldorfer Künstler waren immer aktiv. Sie haben die Kunsthalle gerettet, den einstigen Kunstpalast gebaut, den Kunstverein und den Malkasten gegründet. Bei vielen Wohltätigkeitsveranstaltungen wie Fifty-Fifty oder Heartbreaker sind sie es, die die Werke stiften und damit das Geld eintreiben. Neu ist diesmal, welche Koryphäen sich für die ersten drei Jahre in die Kommission wählen ließen.

In Düsseldorf gibt es jedes Jahr Kunst für 700 000 Euro
Foto: Judith Michaelis

Via Lewandowsky wohnt als einziger nicht in Düsseldorf, sondern in Berlin. Furore machte er mit dem „Roten Teppich“ für den zweiten Dienstsitz des Verteidigungsministeriums im Bendlerblock. Betritt man das Foyer, nimmt sich die große textile Installation aus Schurwolle mit ihrem hohen Flor fast dekorativ aus. Wie ein roter Teppich eben. Steigt man die Treppe hoch, so zeigt der Teppich sein wahres Muster, die Luftansicht des zerstörten Berlin. Lewandowskys Werk wandelt sich also in einen Bombenteppich. Ein symbolgeladenes Denk- und Mahnmal ist es.

In Düsseldorf gibt es jedes Jahr Kunst für 700 000 Euro
Foto: Via Lewandowsky/Verteidigungsministerium; Ulrich Schwarz (BND, Ministerium für Bauwesen); Installation Moyland, dpa

Lewandowsky macht aus Kollegialität mit, denn Künstler hätten ihn angefragt. In Bochum wurde sein radikaler Entwurf soeben abgelehnt. „Radikale Entwürfe verlieren in der Regel gegenüber weich gespülten Beiträgen. Der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping fragte sogar, ob man den Teppich auch woanders hinhängen könne“, erzählt er im Gespräch. Jetzt sei man in Berlin heilfroh, dass man den Teppich habe.

Katharina Sieverding wohnt seit 50 Jahren in Düsseldorf, ist stets präsent und hält den Kontakt auch zur jüngeren Generation. Jedem Werk steckt eine tiefsinnige Frage an falsch verstandene Macht- und Moralansprüche inne. So schuf sie in Kooperation mit Fifty-fifty und der Flüchtlingsinitiative Stay! das Plakat „Am falschen Ort“, als Statement gegen Rassismus und Populismus. Durch Überblendungen entstand ihre Animation „Die Sonne um Mitternacht schauen“. Dabei spürt der Betrachter, dass selbst die Sonne zum Spielball der Mächtigen werden könnte.

Stefan Sous hat viele wichtige Preise für Kunst im Außenraum gewonnen, von den Lichtbänken im Hofgarten über das kleine, leuchtende Amphitheater im Duisburger Kantpark bis zur Kolossalskulptur im Eingang zum Hochsicherheitstrakt des BND in Berlin.

Der Maler Jörg-Thomas Alvermann setzte mit der Gruppe Kukodus die Kunstkommission um. In einer klaren, floskellosen Sprache arbeitete er das Handlungskonzept aus, sprach Künstler und Künstlervereine an, suchte mit Kollegen die Jury aus und ist besonders stolz, dass der Plenarsaal fast voll war, als es um die Wahl der stimmberechtigten Mitglieder für die Amtszeit bis 2020 ging.

Weitere Künstler sind Johannes Bendzulla, Oliver Gather, Noemi Weber und Stephan Machac, Letzterer Medien- und Filmfachmann, Off-Raum-Betreiber und Meisterschüler von Katharina Sieverding. Die Kunstakademie wird noch einen Künstler benennen.

Historie: 2003 organisierten Markus Ambach und Andrea Knobloch den ersten Modellversuch zur Kunstkommission mit fünf Projekten an Schulen. Danach herrschte Stille. 2013 ging Ambach in einem WZ-Bericht an die Öffentlichkeit, als die Stadtverwaltung die City und den Hofgarten umzugestalten begann.

Mit der Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen wurde das Projekt 2016 tatsächlich umgesetzt. Neun Künstler, sechs Politiker und drei Fachleute sind stimmberechtigt, während die Dezernenten für Kultur und für Bauen und die jeweiligen Bezirksvertreter nur beratend tätig sind.

Der Ideenträger und Kulturprojekt-Manager Markus Ambach aber ließ sich nicht in die Jury wählen. Als Vertretungsprofessor in Aachen, als Berater in unzähligen Gremien zwischen Wien, Köln und Berlin hat er genug zu tun. Ihm war es wichtiger, auch die jüngere Generation in die Verantwortung zu bringen.

Die Kunstkommission wird dem Kulturdezernat zugeordnet. Der Vorsitzende muss noch gewählt werden. Mit Beginn des nächsten Jahres eröffnet die Geschäftsstelle mit einem Architekten und einer halben Mitarbeiter-Stelle. Dann wird, so heißt es, die Kunst am Bau zum „herausragenden Bestandteil“ der Stadtkultur.

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