Lesen Buch-Tipp: „Rechts zum Leben, links zum Tod“

Köln · Das NS-Dok stellt die Autobiografie von Henry Oster vor, der als jüdischer Junge den NS-Terror überlebt hat.

 Henry Oster bei einem seiner Köln-Besuche.

Henry Oster bei einem seiner Köln-Besuche.

Foto: Rademacher

Es war der folgenreichste Moment im Leben von Henry Oster, der als jüdischer Junge aus Köln das Getto Litzmannstadt und die Konzentrationslager in Buchenwald und Auschwitz-Birkenau überlebt hat. Als er mit seiner Mutter in Auschwitz ankam, wurde er nach rechts ins Leben geschickt. Seine Mutter musste nach links gehen, wo sie von den Nazis im KZ direkt nach der Ankunft ermordet wurde. Seit Vater hat den Lageraufenthalt ebenfalls nicht überlebt, er verhungerte vor den Augen seines Sohnes, der sich als Waisenkind in Zeiten höchste Not durchschlagen musste.

Seine Autobiografie wurde jetzt in einer neuen Buchreihe des Kölner NS-Dokumentationszentrum veröffentlicht. Eigentlich hatte sich der in die USA emigrierte Oster geschworen, nie mehr deutschen Boden zu betreten und nie mehr Deutsch zu sprechen. Doch durch Zufall entdeckt er in Los Angeles 2010 über Google Maps die Stolpersteine für seine Eltern in Köln. Er ist erstaunt und wendet sich an das Kölner OB-Büro, das wiederum Kontakt zum NS-Dok aufnimmt.

Im gleichen Jahr reist er im Rahmen des Besuchsprogramms nach Köln und betritt dort erstmals nach 1941, dem Jahr seiner Deportation, wieder deutschen Boden. Anfangs hat er große Bedenken, aber der warmherzige Empfang und das große Interesse an seiner Lebens- und Leidensgeschichte bewegt ihn, wieder Vertrauen zu fassen. Es war und ist ihm wichtig, Zeugnis abzulegen, um an die Ermordeten zu erinnern.

Die Autobiografie ist zunächst
in den Staaten erschienen

Bereits in den 70er Jahren war Oster in seiner Heimat Los Angeles als Zeitzeuge aufgetreten und konnte so seine eigene Geschichte erzählen und auch ein Stück weit verarbeiten. 2011 kehrt er zurück zur Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag der Deportation nach Litzmannstadt nach Deutschland zurück. Einen weiteren Besuch gibt es 2015 zum Gedenken an das KZ Buchenwald. Natürlich besucht er dabei auch seine alte Heimat am Rhein.

In den USA hat er bereits 2010 an seiner Autobiografie auf Englisch gearbeitet. Mit dem neuen Kontakt nach Deutschland entsteht die Idee, diese auch in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Allerdings war schnell klar, dass es keine bloße Übersetzung geben soll. Gerade die Zeit in Köln sollte stärker hervorgehoben und durch Interviews ergänzt werden. Geführt wurden diese von Karola Fings vom NS-Dok: „Eigentlich waren die Gespräche auf Englisch geplant, doch schnell war klar, dass Henry Oster dabei Deutsch sprechen wollte. Er hat das gesamte Buchprojekt begleitet und jedes Kapitel gegengelesen.. Das war für ihn ein wichtiger Prozess für das eigene Erinnern.“

Das Buch hat drei Kapitel. Das erste befasst sich mit der Kölner Zeit von Heinz Adolf Oster, wie der heutige US-Amerikaner damals hieß. Beim zweiten geht es am die antisemitischen Erfahrungen und um die Deportation. Das dritte Kapitel erzählt von der Zeit im Getto und in den beiden Lagern.

„Wichtig ist auch die mühsame Rückkehr des Waisenkindes nach der Befreiung in das Leben und die Emigration in die USA, wo Oster von Onkel und Tante aufgenommen wurde. Oster war ein neugieriges Kind, das gerne anderen Leuten Streichen spielte. Er verfügte über eine starke Intuition, wenn es darum ging, was die richtige Reaktion ist. Außerdem hatte er einen starken Überlebensdrang und war von seinen Eltern mit einer großen Stärke ins Leben geschickt worden“, erklärt Fings.

Seine Geschichte wird aus der Sicht des jüdischen Jungen erzählt, der in Köln groß geworden ist, bevor er ins Getto deportiert wurde. „Henry Oster hatte, als er sein Belegexemplar bekommen hatte, das Gefühl, das es ein anderer Junge als er selbst ist, der da seine Geschichte erzählt – ein Junge, mit dem er Mitleid hat“, sagt Fings.

Termin: Am Donnerstag wird das im Metropol Verlag erschienene Buch (235 Seiten, 19 Euro) um 19 Uhr im NS-Dok am Appellhofplatz vorgestellt. Der Schauspieler Steve Hudson wird einige Passagen vorlesen. Gezeigt werden auch Videoauszüge aus dem Interview mit Henry Oster.

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