Dichter: Hobby-Poeten entdecken Haiku

Die Kölnerin Lore Tomalla gründete die Haiku-Werkstatt in Köln. Das kürzeste Gedicht der Welt hat viele Fans.

Köln. Wenn sich die Damen im Kölner Museumscafé zu Kaffee und Kuchen treffen, dreht sich alles um 17 Silben. Kein Alltagsgeplauder wird ausgetauscht, sondern Lyrisches in drei kurzen Zeilen. In der Haiku-Werkstatt kommen in wechselnder Besetzung bis zu zehn Hobby-Dichter zusammen. Ihre Leidenschaft gilt der kürzesten Gedichtform der Welt, dem Jahrhunderte alten Haiku aus Japan.

Einige Teilnehmer sind begeisterte Japan-Fans. Sogar ein Treffen im Kimono war im Gespräch. Lore Tomalla (76), die den Zirkel im Ostasiatischen Kunst-Museum gründete, hat schon viele Haiku-Bände veröffentlicht. Gern präsentiert sie einen ihrer jüngsten Drei-Zeiler: "Festgehakt hat sich, auf den Spitzen des Domes, die Morgensonne."

Auch bei nur 17 Silben gibt es feste Regeln, die in Japan jedes Kind kennt. Dort gilt das Verfassen der Mini-Gedichte, die es in seiner heutigen Form schon seit dem 16. Jahrhundert gibt, als Volkssport. "Ein Haiku ist ein jahreszeitliches Gedicht, das nicht die Befindlichkeit des Dichters ausdrückt, sondern in dem in der Natur Gesehenes eine Stimmung schafft", erklärt Martin Berner als Vorsitzender der Deutschen Haiku-Gesellschaft in Frankfurt am Main.

"Das Interesse an Haiku in Deutschland wächst enorm, denn es passt gut in unsere Zeit: Es ist kurz und es sucht Sinn in kleinen Dingen."

Die Silbenfolge ist auf fünf, sieben, fünf festgelegt. Ein Haiku soll "kurz wie ein Atemzug" sein, reimt sich nicht und beinhaltet meist ein Kigo, ein jahreszeitliches Wort. In den schlichten Gedichten wird auch ein Bild der Vergänglichkeit gegeben, kleine und unscheinbare Dinge wie eine Mücke über dem Teich oder ein Rosenblatt im Schnee können Themen sein.

Manches werde aber hierzulande auch "fernöstlich verklärt", sagt Berner, der bei der Kunstform in Stil wie Inhalt für weitmögliche dichterische Freiheiten plädiert.

Das Haiku wird im deutschsprachigen Raum immer beliebter. Nicht nur die Deutsche Haiku-Gesellschaft, auch die zahlreichen regionalen Gruppen oder informellen Zirkel wie in Köln, Ahlen, Magdeburg oder Halle freuen sich über wachsenden Zulauf, weiß Berner.

"Manchmal kommen wir in eine große Begeisterung, bleiben viele Stunden zusammen und dichten gemeinsam", erzählt die Kölner Haiku-Poetin Tomalla, die schon immer "eine Liebe für die Dichtkunst" hatte. "Es gibt aber auch Tage, da funkt es eben nicht, da halten wir es gar nicht lange miteinander aus."

Manche werkelten immer wieder kleinlich an ihren Zeilen herum, bei anderen sprudelten die Haiku nur so heraus, sagt die Textilkauffrau, die inzwischen eine ganze Bibliothek rund um die Kurzgedichte aus Japan besitzt. Ihre eigenen Sammlungen verkauft sie im Kunst-museum oder in kleineren Buchhandlungen.

Dennoch erschließen sich die Haiku nicht jedermann. "Ich möchte noch viel mehr Menschen für die Haiku interessieren", sagt Tomalla. Und sie ist sich sicher: Man muss nicht Japaner sein, um ein Haiku-Händchen zu haben: "Es gibt auch wunderbare deutschsprachige Haiku, die dann später ins Japanische übersetzt wurden."

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