50 Jahre nach der Eröffnung Düsseldorfer Schauspielhaus: Meilensteine einer Theaterkultur

Düsseldorf. · Als das Düsseldorfer Schauspielhaus vor 50 Jahren eröffnete, standen die Zeichen noch auf Sturm. Im Laufe der Zeit feierten Intendanten und Regisseure viele Erfolge.

 So soll das wiedereröffnete Schauspielhaus einmal in das neue „Ingenhoven-Tal“ eingebettet sein – einstweilen wird dort noch gebaut. Auch das Theater selbst wartet auf den letzten Schliff.

So soll das wiedereröffnete Schauspielhaus einmal in das neue „Ingenhoven-Tal“ eingebettet sein – einstweilen wird dort noch gebaut. Auch das Theater selbst wartet auf den letzten Schliff.

Foto: Ingenhoven/Schauspielhaus

Massendemonstrationen und Proteste gegen den ‚kulturellen Prachtbau“ auf dem Gustaf-Gründgens-Platz sind am 16. Januar weder angemeldet noch zu befürchten. Vor 50 Jahren indes, als das Düsseldorfer Schauspielhaus eröffnet wurde, standen die Zeichen auf Sturm: 600 Beamte, Reiterstaffel und Hundeführer boten Stadt und Land auf, versuchten die Festgäste damals zu schützen vor Farbbeuteln und Stinkbomben von Hunderten Demonstranten. Es war die Zeit der 68er, deren Zorn sich entlud an der geschlossenen Gesellschaft.

Denn Karten für die ersten Vorstellungen in der organisch geschwungenen Architektur von Bernhard Pfau (im Kontrast zum benachbarten, rechteckigen Dreischeibenhaus) – von Polit-Aktivisten als „Literaturbordell“ oder „Beton-Pfannekuchen mit Schießscharten“ beschimpft – gingen nur an Prominente. Wie FDP-Vizekanzler Walter Scheel. Und an Honoratioren aus Düsseldorf und NRW, die bis heute mit dem Schauspielhaus das einzige Staatstheater im bevölkerungsreichsten Bundesland gemeinsam finanzieren.

Mit Schulz knüpft das Haus an alte Glanzzeiten an

Um beim Jubiläum und der Wiedereröffnungs-Feier am Donnerstag – mit einer Rede von Ministerpräsident Armin Laschet – jede Peinlichkeit oder gar einen Vergleich mit 1970 zu vermeiden, achtete der heutige Intendant Wilfried Schulz genau darauf, dass knapp die Hälfte der Karten für den Festakt im freien Verkauf zu erhalten sind. Zudem werden renommierte Medien- und Kultur-Vertreter in einer offenen Debatte über Theater, Stadtkultur und Architektur sprechen. Schulz – beharrlich, diplomatisch, mit allen Wassern der Kulturpolitik gewaschen – hat nicht nur seit dreieinhalb Jahren das Haus (er nennt es „dhaus“) über langwierige Sanierung mit immer neuen Verzögerungen und Ausweichspielstätten in sicheres Fahrwasser gelenkt. Sondern er traf mit einem anregend abwechslungsreichen Spielplan, starken Schauspielern und herausfordernden, unideologischen Regisseuren ins Herz des Publikums, das in den Jahrzehnten zuvor dem Sprechtheater immer stärker den Rücken gekehrt hatte.

So knüpft Schulz mit einer Auslastung von fast 90 Prozent an die Glanzzeit des Hauses an – der Intendanten Gustaf Gründgens in den 50er Jahren, Karl-Heinz Stroux in den 60er/70er Jahren. Letzterer inszenierte zur Einweihung des Hauses vor 50 Jahren „Dantons Tod“ mit einer Guillotine auf der Bühne. Das Historiendrama über den Terror der Französischen Revolution steht zwar seit September in einer Neu-Inszenierung (Armin Petras) erneut auf dem Spielplan, doch am 16. Januar wird Bertolt Brechts „Leben des Galilei“ Premiere feiern – in der Titelrolle der wandlungsfähige Kino-Star Burghart Klaußner – einer der wenigen Deutschen, die es bis nach Hollywood geschafft haben.

Meilensteine einer neu aufbrechenden, lebendigen Theaterkultur erfuhr der Gründgens-Platz von 1976 bis 1986: Unter Intendant Günther Bee­litz wurde die Uraufführung von Tankred Dorsts Artus-Drama „Merlin oder Das wüste Land“ bundesweit gefeiert. Zudem wurden Schillers „Kabale und Liebe“ (Regie: Roland Schäfer, 1978), die „Räuber“ (Regie: Peter Löscher, 1979) und Calderon de la Barcas „Das Leben ein Traum“ zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Was als Ritterschlag in der Branche gilt.

Diese Adelung erfuhren unter Volker Canaris (Intendant 1986-1996) lediglich die Inszenierungen der damals jungen Vollblut-Theaterfrau Karin Beier von „Romeo und Julia“ (1994) und „Ein Sommernachtstraum“ (1996). Düsseldorf erlebte somit den Aufstieg einer der erfolgreichsten Regisseurinnen im deutschsprachigen Raum, die später in Köln, dann in Hamburg als Theaterchefin und Regisseurin europaweit Aufsehen erregte – und noch bis heute erregt.

Heiß und heftig diskutiert wurde über Nacktheit auf der Bühne

In der Ära von Volker Canaris veränderte sich die Ästhetik radikal, provozierte, schockierte (wie einige Inszenierungen von Werner Schroeter) konservative, traditionsverhaftete Abonnenten. Heiß und heftig diskutiert wurde über Nacktheit auf der Bühne und „Verhunzung von Goethe, Schiller und Shakespeare“. Lautstarkes Zuknallen von Türen war – besonders im Großen Haus – beinahe an der Tagesordnung.

Wenig Fortüne hatte Anna Badora zu Beginn ihrer zehn Intendanten-Jahre. Durch wenig ansprechende Theaterabende, die viele Besucher nicht mehr zornig, aber doch ratlos kopfschüttelnd verließen, geriet das Haus noch mehr in Abwärtsfahrt. Bis Anfang der 2000er die Erlösung mit Rita Thiele kam – Claus Peymanns brillante und glänzend vernetzte Chefdramaturgin des Berliner Ensembles wurde Badora zur Seite gestellt.

Wie ein verspätetes Theater-Wunder wirkten Produktionen wie die schrille Struwwelpeter-Variante „Shockheaded Peter“ von Michael Simon, zahlreiche Aufführungen durch damalige Regie-Jungstars wie Patrick Schlösser und Igor Baursima. Der Clou gelang dem Duo Anna Badora/Rita Thiele damit, dass der eigenwillige, verstörende Jürgen Gosch aus Berlin nach Düsseldorf kam. Gorkis „Sommergäste“ (2004) und Shakespeares herausfordernder „Macbeth“ (2006) mit Männern in den Frauenrollen wurden beide zum Theatertreffen geladen. Das waren die letzten Einladungen, bis heute.

Noch weniger Fortüne hatten Badoras Nachfolger Amélie Niermeyer  und der Schwede Staffan Valdemar Holm. Letzterer kam von Anfang an in die Umbau-Verzögerungen, strich nach knapp anderthalb Jahren die Segel und übergab das Haus einem Geschäftsführer, der erst 2014 durch Günther Beelitz ersetzt wurde.

Obwohl hoch im Rentenalter strickte Beelitz als Interims-Intendant einen munter unterhaltsamen Spielplan, der keinem wehtat und älteres Publikum mit dem Schauspielhaus wieder versöhnte. Dennoch: Der Funke sprang erst im Herbst 2016 auch auf junge Zuschauer über – als Schulz etwa in Ausweichspielstätten bewies, wie unverzichtbar Live-Theater in einer digitalen Welt ist.

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