Biedermanns „Kribbeln“ im Olympia-Jahr

Halle/Saale (dpa) - Olympia macht aus Paul Biedermann ein wandelndes Zahlen-Lexikon. „1:45,69“, antwortet der Weltrekordler ohne zu überlegen, als er nach der Jahresbestzeit von Rekord-Olympiasieger Michael Phelps gefragt wird.

Interessiert schaut sich der 25-Jährige die Rennen seiner zahlreichen Kontrahenten im Internet an. Dass er selbst auf Platz 33 der Weltjahresbestenliste derzeit rund drei Sekunden langsamer ist als Phelps oder der Jahresschnellste Yannick Agnel (Frankreich), lässt Biedermann eher kalt: „Natürlich registriert man das, klar kann man sich jetzt dolle nervös machen. Letztendlich bringt es mir nichts, weil ich meine Qualifikation noch vor mir habe.“

Im Mai erst muss Biedermann die geforderte Norm bringen. „Eine olympische Qualifikation ist schon etwas anderes als für eine WM. Da ist schon mehr Kribbeln dabei“, sagt der dreimalige Weltmeister. So freut er sich - im Gegensatz zu anderen deutschen Schwimmern - auf das Trainingslager in 2300 Meter Höhe in der andalusischen Sierra Nevada. „Es ist eine großartige Trainingsmöglichkeit ohne großartige Ablenkung“, sagte vor dem Abflug und fügte grinsend hinzu: „Das ist Training, wie es schön ist.“ Anders als früher muss ihn sein Heimtrainer Frank Embacher nicht zum monotonen Kachelzählen antreiben: „Dieses Jahr ist es anders, weil Olympia ständig im Kopf rumschwirrt.“

In London will er besser als Platz fünf bei Olympia 2008 abschneiden. Doch unter Druck setzen lassen will sich der dreimalige WM-Dritte von 2011 von außen nicht: „Dabei bleibt es. Klar ist es schwer zu verkaufen, aber es ist ja mein innerer Anspruch.“

Nach eigener Einschätzung ist Biedermann seinen Weltrekord über 400 Meter Freistil bald los. „Mein Rekord fällt, aber nicht von mir. Ich glaube, sogar vor den Spielen“, sagte er. Die Bestmarke von 3:40,07 Minuten bei seinem WM-Sieg 2009 in Rom werde von Weltmeister Park Tae Hwan aus Südkorea oder vom Chinesen Sun Yang gebrochen, glaubt Biedermann.

Sun Yang kam im vergangenen Jahr bis auf zwei Zehntelsekunden an den Weltrekord heran. Seine Bestmarke über 200 Meter Freistil werde hingegen länger bestehen, meint Biedermann. Er erklärt dies mit der größeren Wirkung der Ende 2009 verbotenen Hightech-Anzüge.

Nach den Spielen von London will sich der Schwimm-Profi mehr als bisher seiner beruflichen Zukunft widmen. Als Praktikant der Wasserwerke Halle/Saale ist er seit Jahren freigestellt. „Ich weiß noch gar nicht, ob ich studiere, halte mir alle Möglichkeiten offen“, betont Biedermann, der auch „in der beruflichen Ebene etwas schaffen“ will. „Vielleicht mal Polizist“, meint er. Aufpassen auf die Konkurrenz, das macht er ja jetzt schon.

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