Massenpanik ist eine fatale Kettenreaktion

Der Herdentrieb des Menschen kennt nur ein Ziel: raus, raus, raus.

Münster. Bei Massenpaniken schaltet sich die soziale Kompetenz des Menschen ab - "aus Angst ist das eigene Überleben wichtiger, als die Rücksicht auf andere", sagt der Psychologe Steffen Fliegel aus Münster mit Blick auf die Massenpanik bei der Loveparade. Ausgelöst werde eine Massenpanik von einzelnen Menschen, die in der Menge plötzlich Angstgefühle haben oder Panikattacken erleben. "Der Organismus reagiert dabei völlig unkontrolliert."

Die schnellen Fluchtbewegungen der panischen Menschen lösen dann in der Enge und der Menge ein Herdenverhalten aus. "Es entsteht eine lawinenartige Kettenreaktion", sagt Fliegel. In solch einer Massenbewegung sei die "Ratio", also das verantwortliche Denken, außer Kraft gesetzt. "Es gibt kein Überlegen mehr, was in dem Moment sinnvoll oder besser wäre", sagt der Experte von der Gesellschaft für klinische Psychologie und Beratung in Münster.

Durch den "Herdentrieb" flüchten viele Menschen in dieselbe Richtung. Im Geschiebe und Gedränge baut sich stellenweise ein tonnenschwerer Druck auf. Die ersten erleiden in dieser Situation Kreislaufzusammenbrüche. Spätestens wenn die Ersten stürzen, nimmt die Tragödie ihren Lauf.

Organisatoren vieler Großveranstaltungen wie der Loveparade oder der Kirchentage lassen von Experten vorab Mobilitätskonzepte entwickeln, um Paniksituationen gezielt zu verhindern.

Psychologe Fliegel hat in seinem Berufsalltag mit Panik-Opfern zu tun. Selbst wer körperlich unversehrt eine solche Situation übersteht, kann schwere seelische Traumata davontragen. Mit Blick auf das Verarbeiten des Erlebten rät Fliegel: "Da hilft nur: reden, reden, reden und das eigene soziale Netz nutzen."

Der Psychologe empfiehlt Betroffenen, die traumatischen Erlebnisse in dem engen Tunnel des Loveparade-Geländes möglichst nicht zu verdrängen, sondern sich den schlimmen Erinnerungen zu stellen. "Sonst geraten sie womöglich in einen Teufelskreis, vermeiden künftig andere enge Situationen wie voll besetzte Züge oder Kaufhäuser." Halten Albträume oder Panikzustände länger als zwei, drei Monate an, sollte therapeutische Hilfe erwogen werden.

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