Elberfeld Mit Liebe und Humor die Schwächen der Stadt im Blick

Elberfeld. · Interview Das „Talfahrt“-Ensemble feiert ein Jubiläum. Anlass für einen Rückblick auf zehn Jahre satirische Heimatpflege.

Ein Tusch für (v.l.) Jens Neutag, Ulrich Rasch und Jürgen H. Scheugenpflug, die zehn Jahre gemeinsam Wuppertal satirisch begleiten.

Ein Tusch für (v.l.) Jens Neutag, Ulrich Rasch und Jürgen H. Scheugenpflug, die zehn Jahre gemeinsam Wuppertal satirisch begleiten.

Foto: Fischer, Andreas (f22)

„Talfahrt“ – ein Name, der Programm und nur so in Wuppertal zu denken ist. Dahinter stecken drei Herren, die sich jedes Jahr für zwei Monate (Dezember und Januar) und eine allmählich gewachsene Anzahl Auftritte zu einem Kabarettensemble zusammen finden. In Liebe zur und Leiden an der Stadt und mit viel hintergründigem Humor halten sie Jahresrückschau: Die Kabarettisten Jürgen H. Scheugenpflug und Jens Neutag und der Musiker Ulrich Rasch und Jens Neutag sind seit zehn Jahren auf Talfahrt. Im Gespräch mit der WZ blicken sie zurück und verraten, warum sie kein spezielles Jubiläumsprogramm planen.

Wie entstand der Name „Talfahrt“?

Neutag: Das ist ein Wortspiel, das sich aus der Stadt im Tal und der Reise durchs Jahr zusammensetzt.

Scheugenpflug: Damals gab es noch nicht so viele Ensembles, die mit dem Begriff Tal spielten.

Warum gibt es „Talfahrt“?

Scheugenpflug: Ich habe etliche Jahre eine Kolumne für die WZ, eine Art Wuppertaler Wochenrückblick, geschrieben. Als das beendet war, kam mir die Idee, das auf die Bühne zu bringen. Aber nicht allein. Sinnvoller ist ein Zusammenspiel. Ich habe die beiden anderen gefragt, ob sie mitmachen wollen. Und weil Jens Remscheider war, steuerte er von Anfang an den Blick über den Tellerrand bei.

Neutag: Weil die Leute sich ja auch für allgemeine Themen interessieren, die nicht wuppertalspezifisch sind.

Scheugenpflug: Außerdem haben wir alle unterschiedliche Blicke auf die Stadt.

Wie waren die Anfänge?

Scheugenpflug: Die waren natürlich bescheiden, damals im Dezember 2008. Es war eben schwierig, das unter die Leute zu bringen. Es gab das Format zuvor in Wuppertal ja nicht.

Rasch: Aber wir haben 70 Leute im Rex begeistert. Außerdem ist das keine Frage der Quantität. Wichtig ist, ob die, die da waren, es gut fanden.

Gab es so was wie einen Tiefpunkt?

Neutag: Für mich war die größte Niederlage, als wir 2011 in Schwelm auftraten. Wir dachten, das liegt ja ganz in der Nähe. Aber wir haben zwei Stunden in offene Münder geschaut, die mit Wuppertaler Themen nichts anfangen konnten. Das war kein schönes Gefühl, so als ob man die falsche Sprache spricht.

Ein Wendepunkt?

Scheugenpflug: Als das Rex 2010 wegfiel, haben wir uns entschlossen, in die Stadtteile zu gehen. Aus anfänglich drei Terminen sind mittlerweile zwölf geworden. Vor etwa drei, vier Jahren haben wir gefühlsmäßig den Durchbruch geschafft. Seither werden es jedes Jahr deutlich mehr.

Neutag: Aktuell sind schon drei Termine, im Bürgerbahnhof Vohwinkel und bei Knipex, ausverkauft.

Erinnern Sie ein Ereignis besonders?

Scheugenpflug: 2016 haben wir in unserem Programm natürlich schwer auf Panagiotis Paschalis abgehoben, ihn durch den Kakao gezogen (die vorzeitige Abwahl des Beigeordneten kam die Stadt teuer, Red.). Seine Vorzimmerdame bestellte damals Karten für ihn. Und er kam tatsächlich, sagte mir nach der Vorstellung: Sie machen Ihre Sache sehr gut.

Gab es ein Dauerthema?

Neutag: Ja, in den ersten fünf Jahren kam immer der Kammmolch vor, weil er etliche Bauvorhaben behinderte.

Ein Lieblingsthema?

Scheugenpflug: Viele – der Döppersberg, die Situation in Barmen...

Gibt es Standards in Ihrem Programm?

Neutag: Wir enden immer mit einem Liebeslied an Wuppertal.

Scheugenpflug: Das ist unser Marmor, Stein und Eisen bricht. Man unterstellt uns gerne, dass wir Wuppertal nicht mögen. Dabei ist es genau umgekehrt.

Neutag: Außerdem sammeln wir seit 2012 immer für einen guten Zweck. Ein großes Anliegen für uns. Beim letzten Programm 2017 kamen fast 6000 Euro zusammen.

Und das aktuelle Programm?

Scheugenpflug: Greift den Jahrhundertstarkregen auf, die häufigen Trainerwechsel beim WSV, die geplatzte Groko im Rathaus, die Situation des Tanztheaters, Primark und Döppersberg mit seinem gescheiterten Radhaus, die stillgelegte Schwebebahn.

Neutag: Außerdem bauen wir Rats-TV ein, das wir in Form kurzer Sequenzen über den Beamer einblenden.

Kein Rückblick auf zehn Jahre?

Neutag: Nein, das machen wir im nächsten Jahr, wenn Wuppertal 90 wird.

Rasch: Normalerweise treffen wir uns immer im Sommer, entscheiden im Herbst die Themen. Jeder von uns hat ja noch seine Soloprogramme. Dafür aber treffen wir uns erstmals ab März, um zu arbeiten.

Ein Schlusswort zu Wuppertal:

Scheugenpflug: Ich liebe Wuppertal, seine Geschichten, die es nur hier gibt. Aber ich kritisiere, wie man mit der Stadt umgeht.

Neutag: Ich bin ja nur Gast (lebt seit 2014 in Wuppertal, Red.). Aber hier treffen sich die Menschen, sind die Viertel noch halbwegs gesund. Das finde ich gut.

Rasch: Ja, hier gibt es einen guten Mix. Aber leider auch so eine Art Grundminderwertigkeitskomplex.

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