Kindheit in Elberfeld: „Für uns lag Barmen im Ausland“

Stadtführer Johannes Schlottner ist gebürtiger Südstädter — und blickt gerne auf seine Kinderzeit im Tal zurück.

Kindheit in Elberfeld: „Für uns lag Barmen im Ausland“
Foto: Stefan Fries /privat

Elberfeld. Für ihren größten Hit „Glory Land“ war die Zeit noch nicht gekommen, als die Berliner Beatband „The Lords“ in der Historischen Stadthalle auftrat. Einer ihrer jüngsten Fans hieß Johannes Schlottner, 1958 in der Südstadt geborenes Beamtenkind, dem die Jazzszene im Thalia-Theater zu wirr und zu kompliziert war, und dem Udo Jürgens das höchste musikalische Glück bereitete.

Kindheit in Elberfeld: „Für uns lag Barmen im Ausland“
Foto: Stefan Fries /privat

Mit dem Thalia verbindet sich freilich eine andere Erinnerung: „Für uns Kinder der Bundesbahner gab es dort die alljährliche Weihnachtsfeier. Nach dem Märchen, einer grottenschlechten Aufführung, erhielt jeder von uns eine Weihnachtstüte.“

Derlei Luxus zählte im Hause Schlottner zu den Ausnahmen. Aufgewachsen zur Blütezeit der Wirtschaft in einer Genossenschaftswohnung der Bahn, kannte Sohn Johannes doch nur das Gebot der Sparsamkeit. „Fleisch kam ausschließlich sonntags auf den Tisch.“ Von der 105 Quadratmeter großen Wohnung, in der die vierköpfige Familie mit dem Großvater lebte, war es ein Katzensprung hinüber zur Schreinerswiese. „Im Winter sind wir dort mit unseren Schlitten über die Bombenkuhlen gebrettert.“ Auf dieser Wiese leerte Johannes Schlottner die erste Flasche Wein, bereitete am Lagerfeuer den ersten Tee und rauchte die erste Zigarette seines Lebens. Sein Traum war ein Hund, den ihm die Eltern nicht gestatteten. „Über die Schreinerswiese wurden regelmäßig Schafe getrieben. Ich bin der Herde bis Lichtscheid gefolgt, immer in der Hoffnung, dem Schäfer seinen Hund abschwatzen zu können. Meinem Vater hätte ich dann gesagt, ich hätte den Hund gefunden.“

Es dauerte nur noch wenige Jahre, bis die Idylle durch ein Mammutprojekt zerstört wurde. Das Land baute auf der riesigen Wiese Wuppertals Gesamthochschule, die heutige Universität. „Anfangs haben wir uns auf der Baustelle rumgetrieben, das war sehr spannend. Aber es gab einen natürlichen Schwund an Baumaterialien, mit dem wir natürlich rein gar nichts zu tun hatten. Also wurde das Gelände eingezäunt.“

An Bürgerproteste gegen ein solches Bauprojekt kann Schlottner sich nicht erinnern. „Es war eine andere Zeit.“

Eine Zeit, in der man brav „Sport, Spiel, Spannung“ schaute, später „Daktari“ und „Raumpatrouille“. Im Urlaub ging es für drei Wochen nach Holland, dann nach Italien, selbstverständlich mit der Bahn, weil dem Vater Freifahrten zustanden. Fast so exotisch wie diese Ferien waren Ausflüge nach Barmen, „absolutes Ausland“, in dem der Onkel lebte.

Der christlich-sozialen Prägung schreibt der gelernte Industriekaufmann es zu, dass er gerne für andere da ist. Die Fürsorge äußere sich darin, dass „ich Leute bespaße“, nämlich als Stadtführer. Seine wahre Liebe zu Wuppertal habe er entwickelt, als er für ein Jahr in der Schweiz war. Allerdings sei es schwierig, den eigenen Kindern, die inzwischen 25 und 26 Jahre alt sind, diese Liebe mit auf den Weg zu geben. „Ihnen ist es egal, wo sie leben.“ Dennoch gebe es Momente, in denen sie ins Grübeln kämen und sagen würden: „Papa, wir müssten eigentlich mal bei deinen Touren mitgehen.“

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