Oper: Don Quichotte reitet in Barmen

Das Publikum feiert die Inszenierung von Jakob Peters-Messer im Opernhaus frenetisch.

Wuppertal. Fantasie oder Wirklichkeit? Jakob Peters-Messer lässt die Grenzen in seiner Interpretation von Massenets Oper „Don Quichotte“ verschwimmen. Er setzt im Wuppertaler Opernhaus noch ein Gitarrenstück vor den eigentlichen Beginn der Oper, um dazu aus der Vorlage von Cervantes zu zitieren, wie Don Quichotte vor lauter Lesen den Verstand verliert. Weiß sind die Gesichter aller Figuren angemalt, als handele es sich um Geister, und papierenes Weiß ist auch die vorherrschende Farbe im Bühnenbild.

So zieht Don Quichotte nicht durch Wald und Feld, sondern verbleibt immer in seinem surrealen Leseraum, der durch Projektionen ausgeweitet wird: Als der Kämpfer für Gerechtigkeit eine Schafherde angreift, stehen an der Wand Ritterrüstungen Kopf, als er seinem Knappen Sancho Pansa ein Schloss verspricht, verwandeln sich die Wände in ebendieses. Markus Meyer vereint in seinem Bühnenbild Zitate der Kunstwelt (der Regenschirm aus Spitzwegs „Der arme Poet“ oder eine an Dali erinnernde abgeschnittene Uhr) mit praktikablen Türen und Treppen. Wenn Don Quichotte in die Welt zieht, reitet er auf einer doppelten Leiter. Statt mit Windmühlen kämpft er mit Ventilatoren.

Sehr fein gestaltet Dirigent Tobias Deutschmann die vielseitige Musik von Jules Massenet. Das Wuppertaler Sinfonieorchester präsentiert sich bestens vorbereitet. Sowohl die Bläser als auch Solo-Streicher überzeugen an schwierigen Stellen durch Tonschönheit und stimmige Harmonien. Mit viel Körperwitz und gut geführtem Bass gibt Martin Js. Ohu den Sancho Pansa: Dick ausgepolstert stolpert er hinter seinem Herrn her, fordert mit kläglicher Miene das nächste Picknick ein oder versteckt sich ängstlich vor den Räubern.

John In Eichen bleibt tonlich etwas blass, spielt den verwirrten, aber von seiner Mission erfüllten Don Quichotte jedoch sehr überzeugend. Joslyn Rechter stellt die von Don Quichotte angebetete Kurtisane Dulcinée anfangs sehr kühl und berechnend dar, bevor sie am Schluss größere Emotionen zulässt. Immer wieder überrascht Jakob Peters-Messer seine Zuschauer. Etwa, wenn die Räuber plötzlich aus der Tiefe per Aufzug emporgefahren werden.

Sehr stimmig gelingt ihm die heikle Szene, wenn die Bösewichte durch das innige Gebet Don Quichottes zum Guten bekehrt werden. Ansonsten verwendet er den Chor allerdings oft sehr statisch. Mit begeisterten Bravo-Rufen und zehnminütigem Applaus feiert das Publikum die rundum gelungene Aufführung dieses selten gespielten Werkes.

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