Corona-Krise Wuppertaler Supermärkte: „Die Menschen werden ungehalten“

Wuppertal · Zwischen den Supermarktregalen kommt es wegen der Corona-Krise immer häufiger zu Konflikten. Der Cap-Markt in Wuppertal schließt mittags, damit die Mitarbeiter in Ruhe einräumen können.

 Filialleiterin Marion Radtke räumt das begehrte Toilettenpapier im Cap-Markt ein - dafür muss der Laden sicherheitshalber geschlossen werden.

Filialleiterin Marion Radtke räumt das begehrte Toilettenpapier im Cap-Markt ein - dafür muss der Laden sicherheitshalber geschlossen werden.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Seit Beginn der Corona-Krise befinden sich die Supermärkte und Drogerien im Ausnahmemodus. Fast täglich ändern sich die Spielregeln, der zwischenmenschliche Umgang zwischen den Regalen wird härter. Auch in Wuppertal gibt es Abstandsmarkierungen, Einkaufsbeschränkungen und Wut über Hamster-Käufe. Die Stimmungslage im Überblick.

Der Cap-Markt am Eckbuch ist neuerdings zwischen 14 und 16 Uhr geschlossen und öffnet eine Stunde später. Filialleiterin Marion Radtke erklärt: „Damit wir in Ruhe einräumen können.“ Am gestrigen Donnerstag wurde Toilettenpapier geliefert. Im laufenden Geschäft könnten das die Angestellten kaum einräumen, ohne dass ihnen die Waren „aus den Händen gerissen“ werden. „Diese Lieferung wird bis heute Abend weg sein.“ Derzeit bekomme der Handel auch nur ein Bruchteil von dem, was er bestellt hat.

Sogar der kleine Supermarkt im Viertel bemerkt das krass veränderte Einkaufsverhalten der Menschen. „Wir haben täglich rund 200 Kunden mehr“, sagt Radtke und bemerkt, dass die großen Ketten darüber im Moment wohl lachen. Gar nicht so komisch findet Radtke aber, dass neben den Stammkunden, die mit viel Besonnenheit einkaufen würden, auch gezielt Hamsterkäufer in den Laden kommen. Teils mehrere Tage in Folge.

Eine Frau habe jüngst 20 Packungen Mehl aus dem Laden befördert. Radtke sagt: „Hamsterkäufe müssen nicht sein. Sie schaden den Leuten, die für den täglichen Bedarf einkaufen.“ Neulich kam eine verzweifelte ältere Dame in den Laden. „Die bekommt jetzt einfach kein Toilettenpapier mehr.“

Die Situation sorgt für viel Frust in den Märkten. In den sozialen Netzwerken kursieren Geschichten von verbalen und sogar körperlichen Auseinandersetzungen. Die Polizei kann das höchstens als gefühlte Veränderung bestätigen.

Sprecher Jan Battenberg sagte der WZ: „Der Ton mag rauer geworden sein, aber wegen des Dramas um das Toilettenpapier wird noch nicht die Polizei gerufen.“ Marion Radtke sagt es so: „Die Menschen werden ungehaltener.“

Die WZ wollte wissen, ob die großen Filialisten von Aldi bis Akzenta ihre Mitarbeiter in Zukunft besonders schützen müssen und bereits mit Sicherheitsdiensten in Verhandlungen sind. Nur die Rewe-Group, zu der Akzenta gehört, antwortet und schloss weitere Maßnahmen nicht aus: „Wir stehen in engem Kontakt zu den sicherheitsrelevanten Behörden und Gesundheitsämtern – sollten weitergehende Sofortmaßnahmen notwendig werden, sind wir in der Lage entsprechend kurzfristig zu reagieren.“ Die absolute Mehrheit der Kunden sei „besonnen und verständnisvoll im Umgang miteinander“.

Toilettenpapier? „Diese Frage bekomme ich minütlich“

Sehen das auch die Mitarbeiter so? Die WZ fragte bei Akzenta an der Steinbeck bei den Mitarbeitern nach, die derzeit Waren in Blitzgeschwindigkeit nachlegen müssen. „Wir dürfen überhaupt nichts sagen“, sagte eine Frau. Beim Nachbar Aldi fragten wir eine Mitarbeiterin testweise, wann denn wieder Toilettenpapier geliefert wird. Die junge Frau verdrehte die Augen: „Diese Frage bekomme ich minütlich.“ Sie dürfe aber dazu nichts sagen.

Nicht nur Toilettenpapier, Nudeln und Mehl sind fast überall ausverkauft. Die WZ notierte bei Stichproben bei dm, Akzenta und Aldi weitere Produkte, bei denen es offenbar Lieferengpässe gibt. Knapp werden etwa: Seife, Tampons, Tiefkühlgemüse und Müsli. Auch bei Brot, Aufstrichen, Waschmittel oder Dosenwaren schrumpft die Auswahl. Auffällig: Bei einigen Produkten ist die Discount-Marke vergriffen. Etwa am Donnerstag bei Ketchup und Mayonnaise bei Akzenta.

Auch die neuen Regeln in den Märkten müssen noch eingeübt werden. dm bittet die Kunden am Eingang: „Bitte halten Sie Abstand von mindestens 1,5 Metern. Testen Sie keine Produkte. Bezahlen Sie nach Möglichkeit bargeldlos. Husten und Niesen Sie in die Armbeuge.“ Sehr viele Produkte sind bereits auf eine Einheit pro Haushalt beschränkt.

Akzenta fordert die Kunden auf: „Bitte zeigen Sie sich gegenüber Ihren Mitmenschen solidarisch und kaufen Sie in haushaltsüblichen Mengen.“

Aldi fordert sogar zwei Meter Abstand von den Kunden. Dementsprechend sind auch – wie derzeit überall im großen Einzelhandel – Wartemarkierungen auf den Boden geklebt. Durch den verordneten Abstand zieht sich bei Aldi die Schlange dadurch zeitweise zurück bis in die hintere Hälfte des Ladens. Immer wieder stellen sich Menschen in die Lücken zwischen den Wartenden. Etwa weil sie an die Produkte rechts und links greifen wollen oder weil sie das neue System nicht verstehen.

„Dahinten ist das Ende der Schlange“, müssen die Kassiererinnen gebetsmühlenartig rufen. Klar ist: Innerhalb der überfüllten Supermärkte sind 1,50 Meter Abstand noch ein Wunschdenken.

Bislang führen die großen Supermarkt-Ketten - trotz der neuen Regelung der Bundesregierung - keine Sonntagsöffnung ein.

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