Soziales Pflegedienst in Sprockhövel schlägt Alarm

Sprockhövel · Die bevorstehende Reform könnte die Arbeit der „Pflege am Turm“ erschweren und die Zahl der Besuchstage reduzieren.

 Pflegedienstleitung Tina Hoffmann-Attern hat wenig Verständnis für die geplanten Änderungen.

Pflegedienstleitung Tina Hoffmann-Attern hat wenig Verständnis für die geplanten Änderungen.

Foto: ANNA SCHWARTZ

Der „Plan von Spahn“, beziehungsweise das Eckpunktepapier aus dem Ministerium für Gesundheit (BMG), versetzte die Verantwortlichen der „Pflege am Turm“ in der Hauptstraße in Niedersprockhövel in helle Aufregung und Existenzängste. Gemäß diesem Papier „sollen bei Inanspruchnahme von ambulanten Pflegesach- und/oder Geldleistungen die Leistungen der Tagespflege ab dem 1. Juli 2022 auf 50 Prozent begrenzt werden“. Hierzu schreibt Pflegedienst- und Einrichtungsleiterin Tina Hoffmann-Attern in ihrem Appell an die Sprockhöveler Bürgermeisterin Sabine Noll und Peter Rust, den Vorsitzenden des Seniorenbeirats: „Begründet wird dies mit angeblichen Fehlanreizen, die sich aus der Kombination von Betreutem Wohnen und Tagespflege ergäben.“

Diese Kombination ist im Ennepe-Ruhr-Kreis jedoch die absolute Ausnahme und trifft auf die „Tagespflege am Turm“ überhaupt nicht zu, denn die „Gäste“, so werden die tagsüber betreuten und gepflegten Patienten genannt, rekrutieren sich ausschließlich aus der privaten Häuslichkeit, wo sie durch pflegende Angehörige und Pflegedienste versorgt werden. Die Mitarbeiter der Tagespflege leisten also wichtige Beiträge zur Stabilisierung der Versorgungssituation, weil die Pflegebedürftigen an einzelnen Tagen in der Tagespflege umfassend betreut werden. Was den Angehörigen im beruflichen Alltag beispielsweise die nötige Entlastung ermöglicht. Zudem weist Hoffmann-Attern auf das der „Pflege am Turm“ bescheinigte „zukunftsweisende Angebot“ und die überregional gelobte Garten-Quartiersarbeit der Sprockhöveler Einrichtung hin.

Kostspieliger Umzug
liegt hinter dem Unternehmen

Die Pflegedienstleiterin führt weiter aus, dass es erst mit der Einführung eines eigenständigen Budgets der Tagespflege im Jahre 2015 zu einer signifikanten Nachfrage nach Tagespflege und damit auch zum Ausbau der verfügbaren Plätze gekommen ist. Ein Grund, weshalb die „Pflege am Turm“ von der Bochumer Straße in die Hauptstraße 62 umgezogen ist, was mit erheblichen Kosten gewesen sei.

In der Bitte um Unterstützung heißt es deutlich: „Wird das Budget der Pflegebedürftigen für Tagespflege halbiert, werden sich viele nur noch wenige Besuchstage pro Woche leisten können. Die Tagespflege wird hauptsächlich Gäste ohne größeren Hilfsbedarf (Pflegegrad 1 und 2) aufnehmen. Gäste mit erhöhtem Pflegeaufwand, die auf Sachleistungen im häuslichen Pflegesetting angewiesen sind, haben dann nur noch 50 Prozent des Tagespflegebudgets zur Verfügung.“

Einen Vorgeschmack auf die Konsequenzen derartiger Budget-Kürzungen bekommen Pflegedienst, Gäste und Angehörige in der aktuellen Corona-Krise, wo infolge des entwickelten Hygienekonzepts statt der gewohnten 15 nur noch zehn Plätze zur Verfügung stehen. „Viele Angehörige fragen verzweifelt nach mehr Besuchstagen“, schildert Tina Hoffmann-Attern die derzeitige Lage und weist auch darauf hin, dass bei den meist demenzkranken Pflegebedürftigen körperliche und geistige Fähigkeiten geschwunden sind.

Ein anderer Aspekt ist dabei, dass mit der Budget-Begrenzung auch die Existenz der „Pflege am Turm“ ernsthaft gefährdet ist. Alarmrufe, die sowohl bei Bürgermeisterin Sabine Noll wie auch bei Peter Rust offene Ohren fanden und beide zu umgehenden Gegenmaßnahmen aktivierten.

„Bei meiner Recherche habe ich festgestellt, dass das Eckpunktepapier derzeit noch vom Bundesministerium (BMG) geprüft wird. Es gibt bereits eine Petition gegen die angestrebte Kürzung der Leistungen für die Tagespflege. Folglich ist davon auszugehen, dass die Inhalte der geplanten Pflegereform derzeit noch kontrovers diskutiert werden“, heißt es in der Antwort der Bürgermeisterin, die gegenüber der WZ feststellte, dass sie das Anliegen der Tagespflege unterstütze und bereits eine positive Stellungnahme zur Beibehaltung eines auskömmlichen Budgets für Tagespflege innerhalb der Pflegeversicherung abgegeben habe.

Peter Rust, der Vorsitzende des Seniorenbeirats, hat sich gleich seiner guten Kontakte zum Bundestagsabgeordneten des Ennepe-Ruhr-Kreises, Ralf Kapschak (SPD), bedient und erfahren, dass die SPD-Fraktion auf jeden Fall gegen die Kürzungen stimmen werde. Außerdem sieht Kapschack in der Koppelung von Tagespflege und ambulanter Pflege eine ideale Möglichkeit, die gerade für die ältere Generation so wichtigen sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten. Auch für die unternehmerische Seite der Tagespflege äußert der Bundestagsabgeordnete Verständnis: „Wenn es dazu käme, könnten die Tagespflegedienste dichtmachen.“

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