Report Suchtkranke gibt es am Niederrhein in allen Schichten

Menschen mit Abhängigkeiten fehlen laut einer Krankenkasse häufiger im Job als andere.

 Chefarzt Dr. Helmut Eich (l.) und DAK-Chef Holger Heynckes stellten den Report vor.

Chefarzt Dr. Helmut Eich (l.) und DAK-Chef Holger Heynckes stellten den Report vor.

Foto: Andreas Bischof/Andreas Bischof, +49-(0)171-2850

Mal abends ein Bierchen zum Abschalten nach einem stressigen Tag oder ab und an mal eine Zigarette nach dem Essen – so weit, so gut. Dass das nicht unbedingt gesund ist, weiß wohl jeder. Fehltage im Job bringt das aber in der Regel nicht mit sich. Problematisch wird der Konsum von Genussmitteln dann, wenn es nicht mehr ohne geht, Auswirkungen auf Job und Privatleben nicht mehr vermeidbar sind. Wie stark Suchterkrankungen die Arbeitswelt beeinflussen, macht der Gesundheitsreport der gesetzlichen Krankenkasse DAK Gesundheit deutlich.

Demnach haben Arbeitnehmer am Niederrhein, bei denen eine so genannte Substanzstörung – also Suchtproblematik – festgestellt wurde oder es zumindest Hinweise darauf gibt, deutlich mehr Fehltage als ihre Kollegen ohne auffällige Probleme. Beispiel Kreislaufschwierigkeiten: In ganz NRW verzeichnet der Gesundheitsreport auf 100 Versichterte gerechnet 51 Fehltage bei Patienten ohne Hinweise auf eine Substanzstörung, bei Patienten mit Substanzstörung sind es 148, also etwa dreimal so viele. Insgesamt war der Krankenstand 2018 bei Patienten mit Hinweisen auf eine Substanzstörung mit 7,7 Prozent beinahe doppelt so hoch wie ohne (3,8 Prozent).

So erschreckend diese Zahlen auch sind, sie seien nur die Spitze des Eisbergs, sagt Dr. Helmut Eich, Chefarzt für Abhängigkeitserkrankungen im Alexianer Krankenhaus. „Wir erreichen nur etwa zehn Prozent der Suchtkranken, der Rest taucht in den Statistiken gar nicht auf“, erklärt der Mediziner. Das liege einerseits am medizinischen System. „Für die, die Hilfe in Anspruch nehmen, gibt es oft nicht die passenden Angebote.“ Für Nikotinabhängige beispielsweise werde keine bezahlte Therapie angeboten, kritisiert der Arzt. „Es gibt Rauch-Entwöhnungskurse. Die gelten aber als Präventionskurse, weil es dabei um mögliche Folgeerkrankungen geht und nicht um die Nikotinsucht als Krankheit.“

Viele Betroffene holen
sich keine Hilfe

Andererseits seien Suchtkrankheiten auch in der Gesellschaft so stigmatisiert, dass viele sich keine Hilfe holen oder erst dann, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. „Wer süchtig ist, ist in den Augen vieler nicht willensstark genug oder gar in der sprichwörtlichen Gosse gelandet“, sagt Helmut Eich und stellt gleichzeitig klar: „Das ist falsch. Sucht ist eine Krankheit und kommt in allen Gesellschaftsschichten vor.“

Grundsätzlich gehe die Zahl der Raucher und Menschen, die Alkohol trinken, zurück, so der Mediziner weiter. Gleichzeitig steige der Anteil derer, die exzessiv konsumieren, also suchtgefährdet sind. Die Suchtmittel entwickeln sich dabei oft mit der Entwicklung der Gesellschaft. So werde auch die Sucht nach Computerspielen ein immer größeres Thema. „In der Krefelder Drogenszene wandelt es sich vom beruhigenden Heroin immer mehr zu aufputschenden Mitteln wie Kokain“, sagt Eich. Und in der modernen Leistungsgesellschaft seien es oft schon Jugendliche oder Studenten, die Cannabis nutzen, um sich vom alltäglichen Stress zu erholen. „Das ist gefährlich“, macht Eich klar. „Wir müssen weg von der Stigmatisierung, um da weiterzukommen.“

Nicht nur in Bezug auf Suchterkrankungen, sondern generell ist der Krankenstand am Niederrhein 2018 gestiegen, wie Holger Heynckes von der DAK sagt. Mit 4,6 Prozent an Fehltagen in Bezug auf die zu leistenden Arbeitstage liegt der Wert 0,5 Prozent über dem Vorjahresergebnis. Psychische Erkrankungen sind die häufigste Ursache für einen Ausfall im Job.

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