Geschichte Der verschwundene Stolperstein von Elisabeth Erdtmann

Das Mahnmal für Elisabeth Erdtmann an der Uerdinger Straße 1 war weg. Jetzt ist es ersetzt erworden.

Geschichte: Der verschwundene Stolperstein von Elisabeth Erdtmann
Foto: Strücken, Lothar (sl48)

Krefeld. Mutter und Tochter sind wieder vereint. Dort an der Straßenecke, wo sie gelebt haben, und wo der Tod sie 1938 trennte, als sich Elisabeth Erdtmann, geborene Blumenthal, nach allem was bekannt ist, selbst das Leben nahm. Tochter Helga, die später Anja Lundholm hieß, blieb zurück. Wie auch ihr Gedenkstein im Boden vor der Engel-Apotheke an der Ecke Uerdinger Straße/ Ecke Philadelphiastraße, der sie als Opfer und Leidende des Nationalsozialismus kenntlich macht.

Der ihrer Mutter Elisabeth war im April plötzlich verschwunden. 96 mal 96 Millimeter, die Oberfläche aus Messing. Der Grund dafür und der Verbleib sind nach wie vor ein Rätsel. Am Montagmorgen wurde der neue Gedenkstein, ein so genannter Stolperstein, wieder in den Boden eingesetzt.

Unter den Augen von Sandra Franz von der Krefelder NS-Dokumentationsstelle und Sibylle Kühne-Franken vom Verein Villa Merländer. „Die Politik der Nationalsozialisten war es, Individuen auf Nummern herunterzubrechen. Wir wollen den Menschen mit diesen Gedenksteinen ihre Würde wiedergeben“, sagt Sandra Franz. Mutter und Tochter Erdtmann hatten enorm unter der Herrschaft des Nationalsozialismus gelitten. Elisabeth Blumenthal, geboren 1893, stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Bankiers-Familie in Darmstadt, nach der dort sogar ein Stadtteil benannt ist. Sie heiratete den Oberschlesier Erich Erdtmann, 1913 siedelte sie nach Krefeld um, 1918 kam Helga zur Welt. Das Paar betrieb die Apotheke an der Uerdinger Straße 1, die es heute noch gibt. Die Familie lebte im selben Haus. Doch ihr Mann, immer schon rechtskonservativ, schwenkte ab 1933, nach der Machtergreifung der Nazis, ganz auf die Linie der NS-Partei um.

Für seine jüdische Frau Elisabeth begann ein Leben in Angst, Demütigung und Unterdrückung. Im Dezember 1938 hielt sie es nicht mehr aus. Sie nahm sich das Leben, sagt die Forschung. „Flucht in den Tod“, steht auf ihrem Stein. Wenig später begann auch die Leidenszeit ihrer Tochter Helga, die als Schülerin das damalige Emmy-Göhring-Gymnasium, heute Ricarda-Huch, besucht hatte. Flucht 1941 nach Italien, dort ging sie in den Widerstand, verhaftet 1943, Gefängnis in Innsbruck, dann weiter ins KZ Ravensbrück. Sie wurde befreit, überlebte.

Nach dem Krieg heiratete sie einen schwedischen Kaufmann, nahm die schwedische Staatsangehörigkeit an und schrieb Bücher, vorwiegend Autobiographien über ihre schwere Zeit. Die beiden Gedenksteine sind zwei von insgesamt 138 in Krefeld.

Das Verschwinden des Steins warf Fragen auf. Es war das erste Mal, das so etwas in Krefeld passierte. Die Historikerin Sandra Franz sagt: „Die Krefelder waren empört. Die Spender haben sich sofort gemeldet. Binnen 48 Stunden gab es ein Angebot. Das zeigt, wie großartig die Krefelder sind. Sie lassen Dinge nicht einfach geschehen, sie haben ein historisches Geschichtsbewusstsein.“ Die Spender wollten jedoch anonym bleiben.

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