Landgericht Krefelder Geiselnehmer wollte offenbar sterben

Ein 47-jähriger Krefelder hat eine Frau in Krefeld stundenlang als Geisel gehalten, bevor die Polizei eingriff. Vor Gericht wird klar, dass der Mann große Probleme mit seinem Leben hat. Sein Opfer hat diese nun auch.

Krefeld. Geiselnahme, Widerstand gegen Polizisten und versuchte gefährlicher Körperverletzung: Vor dem Krefelder Landgericht hat am Montag, 3. September, der Prozess gegen einen 47 Jahre alten Krefelder begonnen. Vier Stunden lang soll er am 16. September 2017 eine 69-Jährige an der Haltestelle am Hansahaus als Geisel genommen haben, wobei er ihr ein Messer an den Hals hielt. Erst ein Einsatzkommando der Polizei konnte den Angeklagten mit zwei Schüssen in sein Bein aufhalten. Die Staatsanwältin erhob Anklage wegen Geiselnahme, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und versuchter gefährlicher Körperverletzung.

Der Angeklagte, der in Untersuchungshaft sitzt, gestand die Geiselnahme, die auch durch Fotos und ein Video dokumentiert ist. Doch wie kam es dazu? Das Drama ereignete, als ihn eine zivile Polizeistreife festnehmen wollte, um Tatvorwürfe gegen ihn zu klären. Zunächst versuchte der Angeklagte zu flüchten. Im Zuge dessen zog er ein Messer und lieferte sich einen Pfefferspray-Einsatz mit den Polizisten. Dann setzte er sich spontan neben die Rentnerin, die auf die Straßenbahn wartete. Er hielt ihr ein Messer an die Kehle, um seine Festnahme zu verhindern.

Das Opfer schilderte gestern im Zeugenstand die Aktion aus seiner Sicht. Danach hätten Polizisten den Mann wiederholt aufgefordert, das Messer niederzulegen. Er habe aber nicht von der Frau abgelassen, sondern die Beamten aufgefordert, ihn zu erschießen: „Wenn ihr mich nicht erschießt, steche ich sie ab“, soll er gedroht haben. Außerdem gab er vor, eine Bombe in seiner Jackentasche zu haben.

„Ich hatte Atemnot und eine panische Angst“, sagte die Frau. Es habe sie auch nicht beruhigt, dass ihr der Angeklagte zuflüsterte, sie brauche keine Angst zu haben, er werde ihr nichts tun. Wegen der Bedrohung des Opfers hatten die Beamten zunächst von einer Befreiung abgesehen. Sie hatten dem Täter auf Verlangen sogar eine Flasche Bier und Zigaretten besorgt.

Erst als sich dieser zusammen mit der Geisel fortbewegen wollte, griff ein Einsatzkommando zu. Dabei setzte einer der Beamten eine Holzstange ein und verletzte damit versehentlich die Geisel. Sie trug einen dreifachen Bruch des Nasenbeins davon und musste operiert werden. Mit schwerwiegenden Folgen: Ein Jahr später ist sie noch immer in psychiatrischer Behandlung, klagt über Kopfschmerzen, Schwindel und Magenbeschwerden und leidet unter Panikattacken, Schlaf- und Konzentrationsproblemen.

Der Täter entschuldigte sich während der Verhandlung bei ihr. Eine Freundin des Angeklagten beschrieb ihn als drogen- und alkoholabhängig. Sie habe ihn schon vor der Geiselnahme angezeigt, weil ihre Kinder ein Messer bei ihm entdeckt und seitdem Angst vor ihm hatten. Beunruhigt hätte sie außerdem, dass er eine Homepage mit rassistischen Aussagen betrieben hat und andeutete, mit einem Auto in eine Personengruppe fahren zu wollen sowie — drei Tage vor der Geiselnahme — einen Anschlag ankündigte. Das Urteil wird am 17. September erwartet.

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