Studenten der Kunstakademie schreien um Hilfe „Wir sind die totalen Verlierer“

Düsseldorf · Keine Möglichkeit zu arbeiten, keine finanziellen Hilfen. Die Studenten am Eiskellerberg sind verzweifelt.

 In der Kunstakademie Düsseldorf am Eiskellerberg herrscht weiterhin Sendepause.

In der Kunstakademie Düsseldorf am Eiskellerberg herrscht weiterhin Sendepause.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Ende März wurden alle Hochschulen geschlossen, so auch die Düsseldorfer Kunstakademie. Während jedoch viele Einrichtungen des tertiären Bildungsbereichs digitale Lehrangebote bereithalten, finanzielle Nothilfen bieten und den Zugang zu den Ateliers regeln, herrscht an der Düsseldorfer Akademie Sendepause. Da diese Künstlerschmiede geradezu stolz auf ihre internationale Professorenschaft ist, hat sie jetzt sogar das Nachsehen, denn ein Großteil der Professoren lebt in Brüssel, London oder New York und darf nicht einreisen. Von ihnen ist kaum Hilfe zu erwarten. Wir sprachen mit vier Betroffenen, die allerdings anonym bleiben wollen.

Harald Müller (alle Namen sind geändert) schreit geradezu auf: „Wir sind keine Universität. Wir sind auf die Akademie gekommen, um im Atelier und in der Werkstatt zu arbeiten. Das sind die zentralen Standorte unseres Schaffens und Lebens. Wenn einem in einem Zwölf-Quadratmeter-WG-Zimmer nur noch der Zeichenstift oder der Aquarellpinsel zum Arbeiten bleibt, dann wird praktisch unsere gesamte Kreativität unterbunden.“

Nicht nur Werkstätten und Ateliers fallen aus, sondern auch die Nebenjobs. Viele Studenten hatten Werkverträge. Es gibt jedoch keine Kurzarbeit für Werkverträge, weil es sich nicht um eine sozialversicherungspflichtige Arbeit handelt. Jobs als Kellner, Messebauer, Babysitter und Kinderbetreuer sind vorerst verloren. „Wir fallen durch jedes Raster, unsere Existenz bricht zusammen“, so Harald Müller. Inzwischen sind sogar Eltern besorgt, deren Finanzierung weggebrochen ist und die dann auch den Unterhalt der Kinder nicht mehr leisten können.

Sebastian Fischer wirft der Kunstakademie vor, dass sie die Notlage noch nicht einmal erkennt. „Andere Kunsthochschulen bieten Hilfen an. Die Kunsthochschule für Medien in Köln gibt Studierenden in finanzieller Not einmalig bis zu 800 Euro Soforthilfe. An der Folkwang Kunsthochschule sind es 250 Euro. Einen Corona-Sonderfonds gibt es am Eiskellerberg jedoch nicht. Bei uns wissen manche Kommilitonen schlichtweg nicht, wie sie die Miete im nächsten Monat bezahlen sollen.“

Inzwischen stellt der Dekan Marcel Odenbach eine schrittweise Öffnung in Aussicht, aber nur für die in Deutschland lebenden Professoren und deren Studenten. Ein entsprechender Brief liegt uns vor. Danach dürfen diese Lehrer mit ihren Studenten allerdings jeweils nur alle 14 Tage an einem Tag mit ihrer Klasse in den Akademieräumen arbeiten. Der Plan gilt in einer Woche und gibt den Studierenden eine minimale Möglichkeit des Studiums. Studenten mit ausländischen Lehrern haben allerdings Pech gehabt, für sie gibt es keine Alternative.

Nur: Was soll der künstlerische Nachwuchs in einem Raum machen, wenn er ihn nicht als Atelier benutzen darf? Keine Rede ist in dem Brief von den Werkstätten. Das Rektorat gibt kein Hilfsangebot. Anders etwa in Köln, wo man den jungen Künstlern Betreuung und Beratung über Mail, Telefon oder Videokonferenzen anbietet. Zusätzlich verbindet eine Funktionsadresse mit den Bereichen Interfacelabor, experimentelle Bildtechnik und Zentrale Werkstatt. Wer dringend ein Buch oder einen Film aus dem Bestand braucht, kann eine Übergabe an der Eingangstür der Bibliothek verabreden und am Medienrückgabe-Kasten wieder einwerfen. Digitale Angebote wie Presse, Zeitschriften, Tutorials, Sprachlernprogramme, Literatur-Datenbank, Filmstreaming-Dienste und Ebooks sind über die Digitale Bibliothek an der KHM abrufbar.

In Düsseldorf sind all diese Hilfen Fehlanzeige. Hier steht lediglich fest, dass der Sommerrundgang entfällt und dass den Studenten das Sommersemester gutgeschrieben wird. Damit wird die Regelstudienzeit wie an allen Hochschulen um ein Semester erhöht.

Die Studenten am Eiskellerberg vermissen aber auch die Kommunikation. Sie haben den Eindruck, dass den meisten Professoren ihr Schicksal völlig egal ist. Student Fridolin H. erklärt: „Es gibt Kommilitonen, die verlieren ihre gesamte künstlerische Existenz. Aber Rektorat und Dekanat hängen am coolen, lässigen Image, man habe alles im Griff.“ Und Karl-Heinz Schiller: „Im Baumarkt und bei Ikea darf ich einkaufen. Aber hier darf ich nichts, obwohl die Klassen jeweils mehrere Räume haben, so dass die Studenten den Abstand einhalten können. In den technischen Werkstätten lassen sich Regeln für einen stündlichen Betrieb aufstellen, wenn man nur will. Die Werkstattleiter würden das mitmachen, die sind uns wohl gesonnen.“ Karl-Heinz Schiller nimmt sogar Joseph Beuys als Vorbild. Der begab sich auf die grüne Wiese vor der Akademie und hielt dort seine wichtigsten Vorlesungen ab.

Diverse Briefe erreichen jetzt das Rektorat, die uns vorliegen. So bitten Studierende, dass man ihnen die bereits gezahlten Studiengebühren im nächsten Semester erlässt, den Etat für Materialien den Künstlerklassen freigibt sowie Ateliers und Werkstätten unter kontrollierter Öffnung zugänglich macht. Computer-Freaks empfehlen ausdrücklich, die technische Machbarkeit von Cloud Computing zu überprüfen und in den Werkstätten für Foto und Video umzusetzen. Über die Installation von Programmen wie Teamviewer oder zusätzlichen Cloud-Speichern könnten digital arbeitende Studenten von Zuhause aus auf die Werkstatt-Rechner zugreifen.

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