Mühlengasse Wie Bobeks Menschen in Düsseldorf zu Fall kamen

Düsseldorf · Zwei von drei Eisenskulpturen des inzwischen verstorbenen Bildhauers warten noch immer auf eine erneute Aufstellung.

 Das Schroffe der Figur in der Mühlengasse stört bis heute niemanden. Unklar ist weiterhin, ob die beiden anderen wieder aufgestellt werden.

Das Schroffe der Figur in der Mühlengasse stört bis heute niemanden. Unklar ist weiterhin, ob die beiden anderen wieder aufgestellt werden.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Am 2. Dezember 1988 wurden in einer kleinen Feier mitten auf der Mühlengasse drei eiserne Figuren aufgestellt, Vater, Mutter und Tochter. Die Stadt sah in diesen „Menschen im Straßenraum“ von Karl Bobek einen wichtigen Baustein für eine Kunstachse vom Ehrenhof über die Kunstakademie durch die Altstadt zum Grabbeplatz. Doch von der Dreiergruppe ist nur die Mutter übriggeblieben, Vater und Tochter kamen zu Fall und wurden abtransportiert. Und die Stadt schweigt sich über den Verbleib der Rest-Figuren aus.

Immer wieder mahnten Kulturpolitiker die Sanierung an. Zuletzt waren es die Grünen im Rathaus, die vergeblich auf Antwort hofften. Man verhandele mit der Witwe, hieß es noch 2018. Ob dies stimmt, erscheint fraglich, denn die Witwe Ursula Bobek ist inzwischen gestorben. Und die Tochter Florentine weiß nicht, ob man je mit der Mutter gesprochen habe.

Wir wohnten seinerzeit der Aufstellung bei. Es war ein Trauerspiel. Karl Bobek, Jg. 1925, war 1987 als Professor der Kunstakademie in den vorzeitigen Ruhestand gegangen. Er hatte die Parkinsonsche Krankheit und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Man musste ihm einen Stuhl bringen, damit er sich für die kurze Ansprache setzen konnte. Am 20. Januar 1992 wurde er in seiner Wahlheimat Maroth im Westerwald zu Grabe getragen.

Der Bildhauer hatte eine ganze Reihe von Figuren für Plätze und Straßen entworfen. Zehn Beispiele ließ er in Düsseldorf in Eisen gießen. Die Passanten akzeptierten sie trotz ihrer schrundigen Gusshaut und ihrer unebenen Partien. Sie nahmen sie nicht als Kunstfiguren, sondern fassten sie wie ihresgleichen auf und suchten nach menschlichen Beziehungen zueinander. Es schien, als ob Vater, Mutter und Tochter in Richtung zur Akademie liefen. Eine eiserne Familie also, mit der Tochter als Vorhut. Das Sinnbild einer Kleinfamilie, wie sie der Künstler aus seinem eigenen Leben kannte, wenn er nicht auf Zeitungsschnipsel zurückgriff, die er jahrelang gesammelt hatte und als seinen Fundus betrachtete.

Das Schroffe des chemikalisch behandelten Eisens stört auch heute niemanden. Die noch verbliebene Gestalt in der Mühlengasse wirkt rau, spontan hergestellt und geradezu unvollendet. Bobek hatte das Material zunächst mit Salzsäure forciert, wie Markus Knappe in seiner Dissertation über den Künstler schreibt, und erst später fixiert. Die „Personen“  kamen den Altstadtgängern wie selbstverständlich entgegen. Sie sahen in ihnen lebensgroße und lebensnahe Figuren wie Du und Ich, die ihnen begegneten. Sie amüsierten sich über das vorauseilende Mädchen, das sofort als „widerspenstige Tochter“ interpretiert wurde. In gebührendem Abstand folgten die Eltern, denen das Mädchen zu entfliehen versuchte. Eine ideale Inszenierung für eine imaginär bleibende Kunstachse.

Leider stand die Gruppe von Anfang an unter keinem guten Stern, denn die Mühlengasse wurde baulich verändert. Die alten, kleinen Häuschen wichen auf der einen Straßenseite einer modernen Bebauung. Dabei wurden die Neubauten nach vorn gezogen. Vorsichtshalber demontierte man die Gruppe und stellte sie 1992 wieder auf. Doch nun standen die Figuren nicht mehr in der Mitte der schmalen Gasse, wie bei der Einweihung, sondern fanden ihren Standort am Rand der  Neubauten, damit die Straße befahrbar bleiben konnte.

Die Autofahrer erwiesen sich allerdings als rücksichtslos. 2004 wurde der „Vater“ von einem Rettungswagen umgefahren und 2005 wurde das „Mädchen“ durch einen Lkw stark beschädigt und danach entfernt. Heute steht nur noch die „Mutter“ da und blickt mit verschränkten Armen zur Kunstakademie.

2010 beschwichtigte die Leiterin des Amtes für Gebäudemanagement, die Rechte an den Negativ-Formen seien geklärt, die Skulpturen könnten „in Bälde“ zurückkehren. 2018 hieß es im Fachausschuss, die Figuren würden neu gegossen. Tochter Florentine betont auf Anfragen, die Rechte lägen bei der Stadt, die die Skulpturen gekauft habe.

Aber nicht nur die Figuren, sondern auch der Künstler geriet in Vergessenheit. 1996 erschien zwar ein opulenter Band im Grupello-Verlag unter dem Titel „Kunststadt Düsseldorf, Objekte und Denkmäler im Stadtbild“, wobei die damalige Oberbürgermeisterin Marlies Smeets im Vorwort das „wertvolle Nachschlagewerk“ lobte. Doch den beiden Herausgebern, dem Kulturamt und dem Stadtarchiv, unterlief ausgerechnet bei Bobek ein Fehler, dessen Name falsch geschrieben wurde. Das Stadtarchiv behauptet noch heute, es habe keine Unterlagen.

Die Erinnerung an den Akademieprofessor und Cornelius-Preisträger ist fast gänzlich ausgelöscht. Nur ein Detail ist festgeschrieben, es stammt aus der Zeit der Auseinandersetzung mit Joseph Beuys. Zur Immatrikulationsfeier für die Erstsemester am 30. November 1967 begrüßte der kommissarische Direktor Eduard Trier in der Aula vor einem illustren Kreis die Studenten und verpflichtete sie.

Danach sprach Bobek über „Form und Sitte“, ein eher klassisches Thema. So ergriff der Bildhauer-Kollege Joseph Beuys nach Bobek das Mikrofon — mit einer Axt in der Hand. Seine Rede war blanker Hohn, denn er begnügte sich mit den Lauten „öö öö öö. . .“.

1972 zog Bobek ins 200-Seelen-Dorf Maroth im Westerwald, wo er seine Ruhe fand und 1992 starb.

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