Lesung : Geschichten über Influencer, den Selbstwert und eine Europareise
Düsseldorf Im „Quartier 8“ startet die letzte Hinterhoflesung in diesem Sommer. Mit zwei Poetry-Slammerinnen und einem schreibenden Schauspieler.
„Montag, 10.30 Uhr, Düsseldorf Flingern-Süd: Vier Menschen, Mitte 20, sitzen auf einer Picknickdecke, jeder hat ein Bier in der Hand. Der Fotograf weist die vier Menschen ein. Du da mit dem blauen Shirt, bitte etwas weiter nach rechts. Ja genau, und jetzt den Arm stärker anwinkeln, den Rücken gerade. Grinsen nicht vergessen. Du hast Spaß“ – so beginnt der Text „#fürmehrrealitätaufinstagram“ der Poetry-Slammerin Marie Gehdannjez. Er erzählt von der Welt der Influencer, die auf Social-Media-Plattformen Bilder und Filme posten und damit (viel) Geld verdienen – und für ihre Follower idealisierte Lebensmomente inszenieren. Gehdannjez beleuchtet die Schattenseiten der Social-Media-Influencer-Blase. Das Leben als Show. Was zählt, sind Reichweiten und Likes. Mit ihren Texten animiert Gehdannjez die Menschen dazu, nicht schnelllebigen Trends oder gesellschaftlich konformen Lebensformen zu folgen, wenn sie es selbst gar nicht wollen. Sie plädiert vielmehr dafür, sich selbst treu zu sein, sich selbst nicht zu belügen, die eigenen Wünsche zu verwirklichen.
Die 24-jährige Autorin eröffnet am Donnerstagabend im „Quartier 8“ die dritte und letzte Hinterhoflesung, die das Zakk in diesem Sommer veranstaltet. Gehdannjez ist in Krefeld geboren und aufgewachsen, seit letztem Jahr lebt sie in Düsseldorf, wo sie als Kauffrau für Marketing-Kommunikation arbeitet. Texte schreiben und aufführen ist bislang nur ihr Hobby, das sie aber ausweiten möchte. In einem Hinterhof liest sie das erste Mal, sie zeigt sich aber schon neugierig auf den einstigen Garagen-Hof für Autohändler, der mittlerweile als Kreativ-Stätte für Künstler, Designer, Fotografen oder Architekten dient. „Urbanes Upcycling finde ich super spannend“, sagt Gehdannjez, die eigentlich Marie Gdaniec heißt. „Der Name wird so oft falsch verstanden, falsch ausgesprochen, dass ich das vereinfachen wollte. Als ich an einem Feierabend in die Runde rief ‚So, ich geh dann jetzt!‘, mussten alle lachen und der Name war geboren“. Was sie lesen wird, entscheidet sie nach Wetter, Publikum und Laune.
Auf Gehdannjez folgt eine weitere Poetry-Slammerin aus Berlin: Lucia Lucia. Sie zählt deutschlandweit zu den bekanntesten Vertreterinnen dieses Genres. 2017 landete die Literatin mit dem doppelten Vornamen einen viralen Hit. Beim Finale der deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften trug Lucia Lucia den Text „Mathilda“ vor – der NRD veröffentlichte den Video-Mitschnitt, über vier Millionen Menschen schauten ihn an. Mathilda leidet unter Minderwertigkeitskomplexen - „in einer Welt voller Prinzessinnen, die mit zitternden Schritten und wippenden Titten, spritzigen Lippen, belegt mit witzigen Sprüchen ihre bibbernden Rippen mit Glitzer beschmücken“. Am „Poetry Slam“ reizt die 21-jährige Lucia Lucia die Live-Situation: „Ich kann mit dem, was ich an Stimme, Gestiken und Präsenz mitbringe, arbeiten und meine Texte genau auf mich zuschneiden. Dadurch kann ein Text Mal ‚funktionieren‘ oder nicht, kann mit mir wachsen. Es ist nicht nur der Zuhörer, der den Text durch sein Zuhören lebendig macht, sondern auch die Stimmung, die Menschen, die um ihn herumsitzen, der Raum, die Einzigartigkeit des Moments, und eben ich.“