Kunst Wie Krieg zu Kunst wird

Düsseldorf · Impulse-Theater-Festival: Julian Hetzel zeigt in Stück „All Inclusive“ wie Gewalt über Kunst zum Konsumgut wird.

 Regisseur Julian Hetzel zeigt in seinem Stück „All Inclusive“, wie Krieg, Gewalt und Horror zu Kunst und schließlich zu Geld werden.

Regisseur Julian Hetzel zeigt in seinem Stück „All Inclusive“, wie Krieg, Gewalt und Horror zu Kunst und schließlich zu Geld werden.

Foto: Robin Junicke

Es war ein bewegter und bewegender Abend am Sonntag bei der Aufführung von Julian Hetzels Performance-Stück „All inclusive“ im FFT. Auf der Bühne zu sehen waren Menschen, die von einer redegewandten Kuratorin durch eine Ausstellung geführt werden und dabei zeitgenössische Kunstwerke über Krieg und Gewalt betrachten. Als Statisten, die Laiendarsteller der „Betrachter“, hatte Julian Hetzel in Düsseldorf ansässige Kriegsflüchtlinge gecastet. Das wurde in der anschließenden, quasi nicht mehr zu moderierenden Diskussionsveranstaltung mit neun (!) Talkgästen auf dem Podium und profunden Theatermachern im Publikum heiß debattiert. Eine, wenn auch vielleicht nicht beabsichtigte, aber dennoch naive „Instrumentalisierung“ der vorrangig aus Syrien stammenden Akteure wurde dem jungen Regisseur vorgeworfen.

Realer Krieg trifft auf inszenierten Krieg in der Kunst

Denen eine Stimme geben, die in der Öffentlichkeit sonst keine haben, sie ins Rampenlicht zu holen, ist seit jeher eine wichtige Aufgabe der Kunst. Die ästhetischen und konzeptuellen Methoden, mit denen das geschehen kann, werden dabei aktuell sowohl im Theater als auch in der Bildenden Kunst sehr umstritten und spannend diskutiert.  Das Impulse-Theaterfestival liefert dazu in diesem Jahr reichlich Stoff. Hetzels Versuch, die Widersprüchlichkeit zwischen realer Kriegserfahrung und vorgeführter, konzeptuell verklärter Re-Inszenierung auch mit den Darstellern authentischer zu machen, ging dabei nicht ganz auf. Der Qualität des Stücks war damit dennoch kein Abbruch getan.

Hetzel zeigt, wie aus Leid Kunst werden und dann damit vor allem Geld verdient werden kann. Sein Stück ist eine tiefsinnige, höchst einfallsreiche und gut durchgearbeitete Satire darüber, wie auch der heftigste Horror im Kunstbusiness kapitalisiert werden kann. Und das ist keine Fiktion.

Der aktuell in Belgien wirkende Julian Hetzel führt mit der brillanten Performance der Schauspieler Kristien de Proost (Kuratorin), Edoardo Ripani und Geert Belpaerme (Bilderdarsteller) genau das vor, was einen Teil des hochpreisig durchökonomisierten Kunstbetriebs gerade so zynisch macht. „Foto-Shooting“ heißt auch die erste Szene, in der von den Performern prämierte Kriegsfotos nachgestellt werden. „Geschossen wird halt mit der Waffe oder der Kamera. Einer ist Täter, einer ist tot. Das Bild macht am Ende den Fotografen berühmt“, kommentiert die Kuratorin lakonisch. Dass Zerstörung („Dekonstruktion“) als Stilmittel der Kunst sich nahtlos auch mit Kriegszerstörung verbinden lässt, führen die Schauspieler in mehreren Szenen vor. Mit dem Hammer werden süßliche Keramikhunde zertrümmert und die Scherben in edlen Objektkästen zu Editionen „transformiert“. Echte, fein zerbröselte Trümmerhaufen, angeblich heimlich aus Syrien importiert, werden zu einer animierten Staubwolke umfunktioniert. Eine Videoarbeit verknüpft den Sound von Bombenangriffen mit einem abstrakten Farbenrausch. Am Ende wird die Kuratorin beim Techno-Rap „schein-exekutiert“. Das Stück gerät förmlich aus den Fugen. So manches Herz im Publikum beginnt zu rasen. Ganz nebenbei entsteht ein abstraktes, rotes Bild: Action-Painting aus Theaterblut. Ob das nicht alles „schön“ sei, fragt die Kuratorin und Vermittlerin immer wieder in die Besucherrunde. „Schön“ sei vielleicht das falsche Wort, „interessant“ vielleicht das treffendere. Die Besucher aus den Kriegsgebieten sehen das meist anders, lassen sich aber dennoch auf die Erklärungen ein.

„Noch besser, als mit Kunst zu experimentieren, sei es, die Kunst zu besitzen“, kommentiert die theaterblutüberströmte Kuratorin am Ende des Stücks und lädt das gesamte Publikum hinter die Bühne in den Museumsshop von „Escape“ ein, dem für das Stück erfundenen Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst und Performance. Dort kann man nun tatsächlich Kunstwerke und Fanartikel kaufen und wird am Ende selber Teil des Stücks über den Konsum von Krieg und Gewalt.

Julian Hetzel, der zu den interessanten Newcomern der Szene zählt, studierte zunächst an der Bauhaus Universität in Weimar und später in Amsterdam Visuelle Kommunikation. Bereits vor einem Jahr war er mit „The Automated Sniper“, einer Installation zu Drohneneinsätzen und Kriegsführung, in Düsseldorf zu sehen. Kann es richtige Bilder und Kunstwerke von etwas geben, was falsch ist? Kann es richtige Bilder vom Krieg geben? Und entsteht nicht automatisch da wieder Gewalt, wo sie repräsentiert wird? Keine neuen Fragen, die aber immer wieder nach Antworten suchen.

Das Impulse-Theater-Festival läuft bis 23. Juni in Düsseldorf, Köln und Mülheim an der Ruhr. Mehr Infos im Netz unter:

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