NS-Dok Ein Leben zwischen zwei Fronten

Köln · NS-Dok zeigt eine Sonderausstellung zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen.

 Der Nachbau des mobilen Museums von Ulrike Oeter ist ein Museum zum Anfassen.  Foto: Stephan Eppinger

Der Nachbau des mobilen Museums von Ulrike Oeter ist ein Museum zum Anfassen. Foto: Stephan Eppinger

Foto: Stephan Eppinger

. Eines der Bilder auf dem Ausstellungsplakat zur neuen Sonderschau des NS-Dok zu „Kriegserfahrungen 1939-1945“ zeigt die Familie Marx – eine normale Kölner Familie während des Zweiten Weltkriegs. Der junge Vater muss an die Front, seine Frau und die kleine Tochter Doris bleiben zu Hause am Rhein – an der Heimatfront. Das Bild ist eines der vielen Abschiedsfotos, bevor Soldaten an die Front gegangen sind. Diese ist auf einem weiteren Foto zu sehen, ein drittes Bild zeigt das zerstörte Köln nach den Bombenangriffen.

Die Folgen des Kriegs sind
nach wie vor gegenwärtig

Genau diese Bereiche werden in der neuen Sonderausstellung zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen noch bis zum 3. November zueinander in einen Kontext gebracht. Die Folgen des Zweiten Weltkriegs sind auch acht Jahrzehnte im öffentlichen und privaten Bewusstsein nach wie vor gegenwärtig. Bis zum heutigen Tag sind die Kriegsschäden im Stadtbild immer noch präsent. Für viele Zeitzeugen wird die Kriegserinnerung so auf das zerbombte und zerstörte Köln und die daraus folgenden Engpässe und Nöte reduziert.

Die Ausstellung im NS-Dok hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Sichtweise deutlich zu erweitern. Dabei geht es auch um die Voraussetzungen, die diesen Krieg erst ermöglicht haben. Die individuelle Erfahrung von Verlust, Trauer und Tod bekommt dort ihre regionalen, nationalen und internationalen Bezüge im Kontext mit dem Zweiten Weltkrieg.

So wird auf die internationalen Schauplätze des Krieges geblickt – mit von Deutschen zerstörten Städten und deren Verbrechen zum Beispiel an der polnischen Zivilbevölkerung, die teilweise von Soldaten auch in Fotografien festgehalten worden sind. Sie sind Zeugnisse dieses verbrecherischen und rassistischen Angriffskrieges der Nationalsozialisten. Schon bald nah dem Überfall auf Polen kamen die ersten Kriegsgefangen zum Lager in der Deutzer Messe, von wo sie zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft gebracht wurden.

Es geht um die Kölner Soldaten an der Front, die durch die Feldpost und die Heimatbesuche das Geschehen für die Zurückgebliebenen erfahrbar machen. Dieser Zusammenhalt wurde vom NS-Regime gefördert, damit sich Front und Heimatfront gegenseitig abstützen konnten und die verbrecherischen Machthaber und ihre Ideologie nicht infrage gestellt werden konnten.

Bei der ersten Präsentation des Themas im Jahr 2005 im NS-Dok hatte der Aufruf an die Kölner, von ihren Kriegserfahrungen zu berichten und Materialien aus der Zeit zur Verfügung zu stellen, eine große Resonanz – mehr als 300 Rückmeldungen gab es damals. Berichte der Zeitzeugen wurden damals festgehalten, sodass die individuellen Erfahrungen auch nach deren zwischenzeitlichem Tod nicht verloren gingen und jetzt in die neue Schau wieder einfließen konnten.

Für viele der Menschen, die damals den Krieg erlebt hatten, bedeutete die Auseinandersetzung damit auch die Erweiterung des eigenen Blickwinkels auf das damalige Geschehen. In Köln selbst gab es 1940 den ersten Fliegeralarm und 1942 Bombenangriffe, bereits 1939 wurden Lebensmittelkarten ausgegeben, die Zahl der Todesanzeigen in den Zeitungen stieg stetig. Der Krieg war an der Heimatfront angekommen und führte bei den Soldaten an der Front zu Beunruhigung.

In der Ausstellung werden die Erlebnisse an der Front und in Köln in Verbindung gesetzt und im großen Kontext des Kriegs dargestellt. Ganz praktisch wird dies in der Schau mit zwei Sitzgruppen umgesetzt, die eine steht vor dem Hintergrund einer Feldküche, die andere in einer normalen Küche zu Hause.

Zu sehen ist dort auch der Nachbau des mobilen Museums von der Künstlerin Ulrike Oeter, die mit einem Handkarren in sechs Jahren 400 Kilometer gelaufen ist, um mit dem Menschen zum Thema Krieg und Kriegsverbrechen ins Gespräch zu kommen. Stationen waren neben Köln und Bonn auch München, Berlin und Liverpool. Wichtig war Oeter, nicht nur ein mobiles Museum, sondern auch ein Museum zum Anfassen zu schaffen – was ihr unter anderem mit Filzplatten und Stoffbüchern gelang.

Ein spannender Teil sind die Kölner Familiengeschichten, die in der Kulisse eines Wohnzimmers angesiedelt worden sind. So geht es um die Opfer der Nationalsozialisten, wofür die jüdische Familie Schönenberg und ihr Schicksal stehen. Bei Familie Lammerich sterben zwei Töchter bei einem Bombenangriff, weil sie verschüttet werden. Bei der Familie von Nikolaus Groß fällt der Blick auf den katholischen Widerstand gegen die Nazis. Und bei der Unternehmerfamilie Brügelmann geht der Riss beim Verhalten gegenüber dem Regime durch die Familie.

Service: NS-Dok im EL-DE-Haus am Appellhofplatz 23-25, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr.

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