Ausstellung RJM 27 Künstler zeigen im RJM die vielfältige Kunst des Widerstands

Köln · Der Widerstand gegen die Auswirkungen des kolonialen Erbes im Hier und Jetzt wird lauter: Er zeigt sich in der Debatte um die Umbenennung von kolonialen Straßennamen, der Restitution von geraubten Kulturgütern aus der Kolonialzeit, in der Zerstörung von Kolonialdenkmälern und nicht zuletzt der #BlackLivesMatter-Bewegung.

 Die nigerianische Künstlerin und Kunsthistorikerin Peju Layiwola thematisiert die Restitutionsdebatten rund um geraubte Kulturgüter aus dem Königreich Benin in Nigeria, die sich bis heute auch in der Sammlung des RJM befinden.

Die nigerianische Künstlerin und Kunsthistorikerin Peju Layiwola thematisiert die Restitutionsdebatten rund um geraubte Kulturgüter aus dem Königreich Benin in Nigeria, die sich bis heute auch in der Sammlung des RJM befinden.

Foto: Peju Layiwola

Diese Entwicklung bildet den Hintergrund für „Resist! Die Kunst des Widerstands“, die internationale Großausstellung des Rautenstrauch-Joest-Museums (RJM), die vom 27. November bis zum 2. Mai 2021 läuft. Sie beleuchtet 500 Jahre Praktiken antikolonialen Widerstands im Globalen Süden.

Hommage an alle, die
Widerstand geleistet haben

Die Ausstellung ist eine Hommage an die Frauen und Männer, die auf unterschiedlichste Art und Weise Widerstand geleistet haben und deren Geschichten bis heute kaum erzählt oder gehört wurden. Zugleich thematisiert sie die dramatischen Auswirkungen und das Fortbestehen von kolonialen Machtverhältnissen. Somit ist diese Ausstellung ein Versuch, die verborgenen Schichten und Geschichten des Widerstands freizulegen. „Als ethnologisches Museum mit einem kolonialen Erbe wollen wir koloniale Widerstandsgeschichten bewusst mehrstimmig aus den Perspektiven von Künstlern und Aktivisten aus dem globalen Süden und der Diaspora darstellen“, sagt die Direktorin des RJM, Nanette Snoep. „Deshalb ist die Ausstellung partizipativ und evolutiv angelegt und bietet einen Raum, in dem diese Stimmen selbst sprechen können.“

Vier Frauen, Kuratorinnen, Aktivistinnen wurden deshalb eingeladen, eigene Räume für die Ausstellung zu kuratieren. Die nigerianische Künstlerin und Kunsthistorikerin Peju Layiwola thematisiert die Restitutionsdebatten rund um geraubte Kulturgüter aus dem Königreich Benin in Nigeria, die sich bis heute auch in der Sammlung des RJM befinden und verbindet die Debatten mit der aktuellen #BlackLivesMatter-Bewegung in den USA. Die namibischen Aktivistinnen Esther Utjiua Muinjangue und Ida Hoffmann sprechen über den deutschen Genozid an den Herero und Nama in Namibia und ihren Kampf für dessen Anerkennung. Die ungarische Kunsthistorikerin und Kuratorin Tímea Junghaus zeigt den langen Kampf von Roma und Sinti (Europas größter Minorität) um kulturelle Selbstbestimmung und was das mit Kolonialismus und Dekolonisation zu tun hat. Schließlich stellen die Kölner Aktivistinnen Elizaveta Khan und Mona Leitmeier vom Verein Integrationshaus eine Verbindung her zwischen anti-kolonialem Widerstand und lokalem Widerstand von Menschen aus der Diaspora in Köln.

Anhand von zahlreichen historischen Objekten aus der ethnologischen Sammlung des RJM, sogenannten Zeugnissen von Widerstandsaktionen, die die Spuren von kolonialer Unterdrückung, Gewalt und Trauma, von Rebellion, Gegenwehr und Kampf, von Überleben, Resilienz und Heilung tragen, wird auch die eigene Sammlung des RJM unter die Lupe genommen und neu beleuchtet. Historisches Archivmaterial, Zeitungen, Briefwechsel, Fotografien, Dokumentarfilme und zahlreiche Biografien und Zitate von bekannten und unbekannten Widerstandskämpfern weltweit ergänzen diese Erzählungen.

Werke von 27 zeitgenössischen Künstlern aus dem globalen Süden oder aus der Diaspora wie Kader Attia, Kara Walker, Patricia Kaersenhout und Ayrson Heráclito zeigen weitere Perspektiven auf 500 Jahre Widerstand. Der Umgang mit der Vergangenheit und das Aufbegehren gegen ihre Kontinuitäten wird in den Werken auf unterschiedliche Weise thematisiert. Die offenen und subversiv geführten Kämpfe des Widerstands werden durch die künstlerischen Arbeiten sichtbar, hörbar und erfahrbar gemacht. Die Wirkmächtigkeit von rassistischen Bildern und Geschichten wird durch Gegenbilder herausgefordert und dekonstruiert. Die psychologischen Nachwirkungen der kolonialen Gräueltaten werden ausgedrückt und durch Aneignung und die heilsame Erfahrung von Gemeinschaft Teil eines Verarbeitungsprozesses. Mit dem (Wieder-)Erlernen alten Wissens durch das Praktizieren von Sprache, Techniken und Ritualen, lehnen sich die Künstler gegen den Verlust der eigenen Vergangenheit auf und konstruieren vielstimmige Zukunftsentwürfe.

Tanz und Musik haben einen wichtigen Platz in der Ausstellung: Rokia Bamba, Soundkünstlerin und DJ wird im Ausstellungszeitraum ein Sound- und Stimmenarchiv des Widerstands entwickeln und die zwei Urban-Dance-Choreografinnen Bahar Gökten und Daniela Rodriguez Romero setzen sich in der Ausstellungsfläche mit jugendlichen urbanen Tänzern performativ mit dem Thema Widerstand auseinander.

Die Ausstellung ist prozesshaft und partizipativ angelegt und wird sich im Laufe der Ausstellungsdauer weiterentwickeln. Mit Hilfe neuer partizipativer und inklusiver Vermittlungsformate, die sich speziell auch an Jugendliche und junge Erwachsene richten, sollen die Themen der Ausstellung vertieft werden. So wird in Werkstätten im Ausstellungsraum mit Live-Speakers, Künstlern, Aktivisten, Schulklassen, Studierenden, Initiativen und den Besuchern das Thema Widerstand auf unterschiedliche Weise besprochen, bearbeitet und reflektiert und neue Aspekte des Themas werden in der Ausstellung hinzugefügt. Ein umfangreiches Rahmenprogramm für verschiedene Altersgruppen mit Workshops, Filmreihe, Performances, Filmvorführungen und Erzählcafés begleitet die Ausstellung.

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