Museums-Serie Sammlung in Bewegung: Renaissance kommt

Serie | Krefeld · In der neuen, variablen Sammlungspräsentation der Kunstmuseen Krefeld kam es zum ersten Wechsel in einem Raum. Im Fokus, die Sammlung von Beckerath

 Forschungsvolontärin – sie ist die Kuratorin des Raumes – Waleria Dorogova (links) und Museumsdirektorin Katia Baudin präsentierten die Exponate im Raum „Kostbare Auslese“. Zu sehen: Kunst aus der italienischen Renaissance.

Forschungsvolontärin – sie ist die Kuratorin des Raumes – Waleria Dorogova (links) und Museumsdirektorin Katia Baudin präsentierten die Exponate im Raum „Kostbare Auslese“. Zu sehen: Kunst aus der italienischen Renaissance.

Foto: abi/AndreasBischof

Ab jetzt heißt es „Kostbare Auslese“ in einem der Räume des Kaiser-Wilhelm-Museums. Und nein, es geht nicht um Weinanbau. Zu sehen sind plastisch gestaltete Madonnenbildnisse aus der italienischen Renaissance und einiges Spannende zur Provenienz- und Museumsgeschichte selbst.

Der Renaissance-Raum
ersetzt Pop-Art

Die neue – inzwischen vielleicht nicht mehr ganz neue – Sammlungspräsentation der Kunstmuseen Krefeld im KWM heißt nicht umsonst „Sammlung in Bewegung“. Denn die 15 Räume mit 15 Geschichten „bewegen“ die Sammlung nicht nur assoziativ im übertragenen Sinne zu neuen Themenfeldern, sondern die Räume selbst sollen in losem Rhythmus gewechselt werden. Also eine Sammlungspräsentation, die selbst in Bewegung ist. Der Anlass, wieso eines der Themenräume verschwindet und ein neues Thema dessen Platz einnimmt, kann variieren. In diesem Fall traf es „Pop, Provokation, Medienreflexion“, den wir jüngst in unserer Serie, die sich den 15 Räumen widmet, vorgestellt hatten. Der Grund: Eines der zentralen Exponate von Warhol wird nach Lüttich verliehen. So kommt es zu jenem Wechsel, der etwas sehr Überraschendes zutage fördert.

Renaissance-Kunst im KWM? Wie passt das zusammen – ist doch das Museum eher für andere Schwerpunkte bekannt? Zumindest mag es den Anschein erwecken, wenn man bis jetzt durch „Sammlung in Bewegung“ schlenderte. Aber es schlummert oft viel mehr in den Archiven des Krefelder Hauses, als man vielleicht denken mag. Antwort hierauf weiß die Kuratorin des Raumes Waleria Dorogova – die übrigens Teile ihrer Jugend in Krefeld verbrachte. Sie ist aktuell Forschungsvolontärin der Kunstmuseen und befasst sich eigentlich mit der wissenschaftlichen Erschließung von Entwurfszeichnungen für textile Arbeiten von Sonia Delaunay. Die in Bonn promovierende Kunsthistorikerin und Archäologin, die sich indes auch Kostüm- und Textilgeschichte spezialisiert hat, hat aber jetzt drei zentrale sehr imposante Exponate aus einer historischen Sammlung für den neuen Raum ausgewählt. Somit konnte die Kunsthistorikerin, auch jenseits ihres Forschungsauftrags am Museum „unmittelbar in die kuratorische Praxis eingezogen werden“, erklärt Museumsdirektorin Katia Baudin.

Eine große frühe Madonna mit Kind, um 1420 aus Terrakotta von Nanni di Bartolo (gen. Il Rosso), eine Stucco-Figur nach Donatello (Donato di Niccolò di Betto Bardi) um 1450, die sogenannte „Verona Madonna“, und schließlich eine Pappmaché-Arbeit aus 1550 von Jacopo Tatti, gen. Sansovino, eine Madonna mit Kind, die schon satt und unverkennbar ganz den Geist der typischen Renaissance atmet. Drei Werke, die auf ihre jeweilige Art prototypisch für Entwicklungsschritte der Kunstgeschichte stehen können – sowohl im Umgang mit Technik, als auch was kompositorische Entscheidungen anbelangt. So finden wir im frühesten Bildnis aus 1420 von Il Rosso noch das typische blaue Sternengewand der Maria mit der sekundierenden roten Farbe, die das Leiden Christi antizipiert. Bei dem späteren Sansovino aus dem Cinquecento, dem 16. Jahrhundert, ist die Madonna weniger symbolisch denn modisch in Anlehnung an antike Tracht. Die ikonografischen Farben sind als Streifen auf das Kopftuch gewandert; das Sternenkeid indes wird zum umrahmenden Hintergrund, auf dem sich die zum Betrachter öffnende Komposition erhebt.

Ergänzt werden diese Exponate durch eine feuervergoldete kompakte Bronze aus dem 17. Jahrhundert, die eine Nachbildung von Michelangelos vatikanischer Pietà zeigt und fotografische Albuminabzüge, die Studien aus der Werkstatt Rafaels reproduzieren. Allesamt stammen sie aus der Kunstsammlung des gebürtigen Krefelders Adolf von Beckerath, der, wenngleich er Wahlberliner war, dem damaligen Kaiser-Wilhelm-Museum Vorkaufsrecht an größtenteils plastischen Arbeiten des 15. und 16. Jahrhunderts aus seiner Sammlung einräumte.

Und damit wären wir bei der Provenienz, denn dieser Raum spiegelt eine Idee, die auf die Geschichte des Museums verweist. Zeiten, in denen es Stil-Räume im Museum gab, die dafür sorgen sollten, dass Menschen sich ein rundes Bild von Kunst aus verschiedenen Epochen machen konnten, auch ohne heutige Möglichkeiten wie Internet und Co. Ganz real, live sollte etwa die Kunst der Renaissance für Krefelder Bürger erlebbar sein – so die Ideen von Museums-Machern wie seinerzeit Friedrich Deneken, erster Direktor des Hauses. Wie das „Renaissance-Zimmer“ im KWM im frühen 20. Jahrhundert aussah, kann man übrigens auch auf einer Fotografie entdecken.

Die Sammlung wurde zwischen 1898 und 1906 erworben

Die Sammlung, aus der die Exponate stammen, und aus deren Fundus geschöpft werden konnte, entstammen Ankäufen, durch Deneken von Beckerath zwischen 1898 und 1906. Die jetzt ausgestellte Il-Rosso-Madonna wurde 1901 erworben, eine herausragende Tonarbeit, die Figur nach Donatello ist ebenfalls seit diesem Jahr im Besitz. Sansovinos Madonna mit Kind gelangte, laut Label, 1905 an das Museum. Der Prozess der Ankäufe gestaltete sich komplexer. Teile des Briefverkehrs zwischen Käufer und Verkäufer sind ausgestellt. Neben Plastiken und Skulpturen enthält die Sammlung auch Maioliken (bemalte Keramik), Möbel und weitere auch kunsthandwerkliche Gegenstände. Und schließlich wurde die Sammlung auch durch Nachlass und Käufe aus Nachlassauktionen ergänzt.

Eine schöne Hommage an bürgerliche Museums-Kultur, an Sammlungsgeschichte und ein Eyecatcher für das KWM.

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