Kohlekommission Beim Ausstieg stimmt die Kohle

Meinung | Berlin · Die Kohlekommission hat entschieden, bis 2028 soll das letzte Kraftwerk vom Netz gehen. Die Wirtschaft ist skeptisch, aus der Politik gibt es Zustimmung.

 Ronald Pofalla, Vorsitzender der Kohlekommission, stellt die Einigung der Kommission vor.

Ronald Pofalla, Vorsitzender der Kohlekommission, stellt die Einigung der Kommission vor.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Bis um vier Uhr Samstagfrüh diskutierte die 28-köpfige Kommission im Berliner Wirtschaftsministerium, dann endlich stand der Konsens über den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland. Am Sonntag gab es die nächste wichtige Nachricht: Die Bundesregierung trägt die Vorschläge mit. Und das, obwohl der Ausstieg sehr teuer wird – und nicht ohne Risiken ist.

Eine Gesamtsumme für die Folgekosten wollte Ronald Pofalla, Ko-Vorsitzender der Kommission, am Samstagvormittag nicht nennen. Experten halten 60 bis rund 80 Milliarden Euro für realistisch. Allein 40 Milliarden Euro sollen die vom Ausstieg betroffenen Länder – vor allem Sachsen, Brandenburg und NRW – für den Strukturwandel bekommen.

20 Jahre lang zwei Milliarden Euro, von denen sie ein Drittel frei verwenden können. Der Rest soll in einem Maßnahmengesetz festgelegt werden, das die Regierung noch bis April vorlegen will. Es wird Verkehrsprojekte, die Ansiedlung von Behörden und Forschungsförderung beinhalten.

Mehr CO2 als Verkehr und Landwirtschaft zusammen

Hinzu kommen Ausgleichszahlungen an energieintensive Industrien für höhere Strompreise und Entschädigungen für Kraftwerksbetreiber, die Anlagen stilllegen. Diese Kosten sind noch nicht bezifferbar, liegen aber ebenfalls im zweistelligen Milliardenbereich. Das ist der Aufwand, damit Deutschland seine Klimaziele im Energiesektor einhalten kann: Alle Kohlekraftwerke zusammen stoßen rund ein Drittel des gesamten CO2 in Deutschland aus, mehr als Verkehr und Landwirtschaft zusammen.

Die Kommission empfahl einen schrittweisen Ausstieg: 2038 soll dann das letzte Kohlekraftwerk stillgelegt werden. Gegen den Kompromiss stimmte am Ende nur Hannelore Wodtke, Kommunalpolitikerin aus der Lausitz, die nicht genug Sicherheiten gegen das weitere Abbaggern von Dörfern sah. Beim Hambacher Forst erklärte die Kommission hingegen, sie halte ein Ende der Rodungen für „wünschenswert“ – was Betreiber RWE sogleich kritisierte.

Finanzminister Scholz mit Einigung zufrieden

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nannte die Einigung am Sonntag „definitiv eine gute Nachricht“. Scholz: „Wenn wir uns alle anstrengen und das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren, können wir Deutschland zu einem energiepolitische Vorzeigeland weiterentwickeln.“ Das deutete darauf hin, dass er dem Kompromiss wegen der Kosten keine Steine in den Weg legen wird.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versuchte derweil Sorgen wegen der Energiesicherheit zu zerstreuen, da 2022 auch das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet wird. „Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet“, sagte er am Sonntag.

Die SPD lobte den Einsatz für die betroffenen Beschäftigten, die Grünen, dass es überhaupt eine Einigung gibt.

Ausstiegsdatum für RWE „deutlich zu früh“

Die Wirtschaft reagierte zurückhaltender. RWE nannte das Ausstiegsdatum 2038 „deutlich zu früh“. Der Verband der chemischen Industrie (VCI) warnte vor Stromengpässen. „Bis 2022 fallen Kraftwerke weg, die heute die Stromversorgung absichern, ohne dass ausreichend Netze und Speicher für die Erneuerbaren vorhanden sind.“ Die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien stehe auf dem Spiel. Auch die Gewerkschaften mahnten, das Auslaufen der Kohle müsse eng an überprüfbare Fortschritte beim zukünftigen Energiemix, dem Ausbau der Erneuerbaren und der Netze geknüpft werden, wie der Chef der IG BCE, Michael Vassiliadis, sagte.

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