Meinung Die Linke ist politisch zerrissen

Meinung | Berlin · Sahra Wagenknecht zieht sich als Vorsitzende der Linksfraktion zurück. Gesundheitliche Gründe werden angegeben, aber es geht auch um interne Grabenkämpfe.

 Die bisherige Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, zieht sich zurück.

Die bisherige Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, zieht sich zurück.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Zeitenwende bei der Linken. Wieder einmal. Vor vier Jahren trat Gregor Gysi als ihr Fraktionschef ab. Die bis dahin markanteste Persönlichkeit der Partei. Ein Publikumsmagnet. Vielen ist allerdings noch erinnerlich, dass Gysi seinerzeit auch vor den Grabenkämpfen in den eigenen Reihen kapitulierte. Nun hat sich Sahra Wagenknecht vom Fraktionsvorsitz verabschiedet. Aus gesundheitlichen Gründen, aber auch deshalb, weil sich die Linke im Kampf mit sich selbst bis heute schwerlich von anderen Parteien übertreffen lässt.

Zweifellos hat Wagenknecht dazu nach Kräften beigetragen. Sie polarisiert wie kaum jemand anderes in der Linken. Dafür steht das wechselseitige Mobbing zwischen ihr und der Vorsitzenden Katja Kipping. Ebenso wie einst Gysi ist Wagenknecht jedoch zum Aushängeschild der Linken geworden. Ihr Rückzug offenbart, dass es der Partei nicht nur an Geschlossenheit fehlt. Mittlerweile gehen ihr auch die politischen Zugpferde aus.

Der personelle Umbruch an der Fraktionsspitze kommt in einer Zeit, die für die Linke ohnehin schon schwer genug ist. Gäbe es nicht noch die Ausnahmeerscheinung eines Bodo Ramelow, wäre der Urnengang in Thüringen wohl genauso zur bitteren  Enttäuschung geworden wie jene in Brandenburg und Sachsen einige Wochen zuvor. Die rechtspopulistische AfD hat der Linken den Rang einer Protestpartei abgelaufen.

Man gehört längst zum politischen Establishment. Also müsste sich die Linke gewissermaßen neu erfinden, um dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen. Ob das mit einer völlig unbekannten Wagenknecht-Nachfolgerin im Fraktionschefsessel gelingen kann? Die Abgeordneten der Linken sind in mehrere Gruppen gespalten. Das ungewöhnliche Bündnis an der Fraktionsspitze zwischen dem Reformer Dietmar Bartsch und der streitbaren Sahra Wagenknecht hatte bislang lediglich für einen Burgfrieden in der Fraktion gesorgt. Man duldet sich wechselseitig, findet aber nicht zusammen. Das lähmt jedoch die Arbeit der Linken. Für politische Impulse, Innovationen gar, ist die Fraktion jedenfalls nicht bekannt. Nach Wagenknechts Rückzug dürfte dieses Manko noch schwerer zu verbergen sein.

Der knappe Wahlausgang hat gezeigt, wie  zerrissen die Linksfraktion ist. Vieles spricht deshalb dafür, dass man dort weiter politisch vor sich hin dümpelt. Keine gute Nachricht für jene, die von einem rot-rot-grünen Machtwechsel in Berlin träumen. In der Vergangenheit hatte  Wagenknecht die Latte dafür immer unrealistisch hoch gelegt. Und der SPD war dies ein Anlass, um sich die Linke auf Distanz zu halten. Diese Umstände immerhin haben sich nun endgültig überlebt.

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