Nie wieder Scheu vorm Wasser

Immer weniger Kinder können schwimmen. Deshalb sollten Eltern früh mit der Gewöhnung beginnen.

Düsseldorf. 57 Menschen ertranken vergangenes Jahr in Nordrhein-Westfalen, davon elf Kinder. Das geht aus der Ertrinkungsstatistik 2008 der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hervor.

Außerdem verünglücken jährlich viele Kinder beim Spiel am und im Wasser. Der Anstieg der Altersgruppe 0 bis 5 sei "erschreckend hoch", alarmiert die von der DLRG herausgegebene Broschüre "Kinder müssen Wasser kennen".

Gerade jetzt, da es wieder wärmer wird, sind Baggerseen, Flüsse und Tümpel eine potenzielle Gefahr für Nichtschwimmer. "Etwa 90 Prozent der Badeunfälle könnten jedoch verhindert werden, wenn man die Baderegeln beachtet, die man als Kind gelernt hat", betont Wolfgang Worm von der DLRG Nordrhein in Düsseldorf.

"Immer weniger Kinder können schwimmen. Eine Studie der Uni Bielefeld zeigt, dass es mittlerweile 30 Prozent Nichtschwimmer in der Altersgruppe bis 14 Jahre gibt", sagt Stefan Formella vom Landessportbund (LSB) NRW in Duisburg.

Den Trend, dass immer weniger Kinder schwimmen können, sieht auch Gabi Seifert von der gleichnamigen Schwimmschule in Düsseldorf: "Mich rufen Eltern von 13- oder 15-Jährigen an, die noch nicht schwimmen können. Das kann ich nicht verstehen - Schwimmen ist doch etwas Essentielles." Sie stelle fest, dass Eltern ihre Kinder lieber zum Tennis oder Ballett anmelden anstatt zum Schwimmunterricht.

Die Ursachen dafür, dass etwa jedes dritte Kind nicht schwimmen kann, sind vielfältig. "Viele Eltern haben keine Zeit, um mit ihrem Nachwuchs schwimmen zu gehen. Manche Kinder zwischen sechs und acht haben noch nie ein Hallenbad von innen gesehen", sagt Sebastian Markuse vom Hallenbad Vogelsang in Solingen.

Außerdem hätten die Kleinen oft Angst vor der Tiefe. "Deshalb sollte man versuchen, die Kinder ans tiefe Wasser langsam heranzutasten", rät Markuse. Ein weiterer Tipp aus der Praxis: Da viele Kinder sich anfangs nicht trauen zu tauchen, soll man laut Markuse das Kind erst einmal mit der Nasenspitze das Wasser berühren lassen, um danach einen Teil des Gesichts und schließlich den ganzen Kopf unter Wasser zu stecken. "Nur so nimmt man die Angst. Man sollte nichts überstürzen", betont Markuse.

Damit Kinder gar nicht erst Angst vor dem Wasser - in der Fachsprache Aquaphobie genannt - aufbauen, rät Worm von der DLRG zum Babyschwimmen: "Dadurch bauen Kinder schon früh Vertrauen in die Materie und ein gewisses Selbstbewusstsein auf." Wichtig sei dabei, dass die Eltern mit ins Wasser gingen. So könne ein positiver Bezug zum kühlen Nass hergestellt werden.

Um seinen Nachwuchs optimal im Wasser kontrollieren zu können, sollten Eltern von Nichtschwimmern stets in "Griffreichweite" sein, empfiehlt Worm. Generell gilt: Kinder sollten spielerisch ans Wasser herangeführt werden, etwa mit Liedern und einfachen Übungen. Vor allem kurze Eingewöhnungsphasen und eine langsame Steigerung helfen den Kleinen bei der Gewöhnung ans kühle Nass.

Auf gar keinen Fall sollte man Kinder einfach ins Wasser hinein schubsen, sagt Manfred Dohmen, Übungsleiter beim Schwimmverein KTSV Preußen in Krefeld. "Man muss ihnen zeigen, dass Wasser und Schwimmen Spaß machen."

Ein Problem sei aber, dass immer weniger Vereine gut ausgebildetes Personal stellen könnten. "Außerdem gibt es auch immer weniger Möglichkeiten, Schwimmen zu gehen, da viele Bäder wegen Sparmaßnahmen schließen müssen", sagt Dohmen.

"Vor allem muslimische Kinder sind hier im Nachteil, weil deren Eltern oft nicht möchten, dass ihr Kind am Schwimmunterricht teilnimmt", sagt Birgit Weise, Schulleiterin der Grundschule Westersburg in Solingen.

Der Schwimmunterricht an der Grundschule Westersburg ist im Lehrplan der Drittklässler verankert. Von drei Stunden Sportunterricht pro Woche seien es zwei Stunden Schwimmen, sagt Weise. "Durch Hin- und Rückfahrt zum Schwimmbad verbringen die Kinder im Endeffekt aber nur 30 Minuten im Wasser", sagt die Schulleiterin.

In der kurzen Zeit könne Schule nicht viel leisten. Weise: "Nach einem Jahr Schwimmunterricht können viele leider trotzdem noch nicht schwimmen." Umso wichtiger sei es, dass Kinder ihre ersten Wassererfahrungen vor der dritten Klasse machten.

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