Bildungsauftrag im Vordergrund : Giffey hält Burkinis im Schwimmunterricht für vertretbar
Berlin (dpa) - Mit den Problemen des multikulturellen Zusammenlebens kennt sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) aus. Mehrere Jahre lang war sie Bürgermeisterin im Berliner Bezirk Neukölln und zuvor Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Sport.
Dass sich manche muslimische Mädchen aus religiösen Gründen dem gemeinsamen Schwimmunterricht mit Jungen verweigern und auch den Ganzkörper-Badeanzug als Kompromiss ablehnen, dürfte ihr bekannt sein. Ist ein solcher Burkini nun eine Möglichkeit, solchen Mädchen die Teilnahme am Schwimmunterricht leichter zu ermöglichen oder doch eher ein Zeichen des Einknickens vor dem Fundamentalismus?
„Das Wichtigste ist ja das Wohl der Kinder, und das heißt nun mal, dass alle Schwimmen lernen“, sagte Giffey am Sonntag auf einer Veranstaltung der „Zeit“. Es sei deshalb vertretbar, wenn Schulen die Teilnahme am Schwimmunterricht förderten, indem sie die Kleidungsstücke, die bis auf Gesicht, Hände und Füße alle Körperteile bedecken, erlauben und ausgeben. Wichtig sei nur, dass der Bildungsauftrag im Vordergrund stehe und die Sache „nicht hochstilisiert wird zum Untergang des Abendlandes“.
Auslöser der Debatte war ein vor zwei Wochen bekannt gewordener Fall eines Gymnasiums in Herne in Nordrhein-Westfalen, das 20 Leih-Burkinis angeschafft hatte. CDU-Bundesvize Julia Klöckner kritisierte die Entscheidung scharf: „Das ist vorauseilender Gehorsam und ein Einknicken vor fundamentalistischen Elternhäusern - ein Einknicken auf dem Rücken der Mädchen.“ Auch die NRW-Landesregierung in Gestalt von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) und Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) rügten die Entscheidung der Schule. Die Lehrergewerkschaft GEW sah hingegen in den Leih-Burkinis eine pragmatische Lösung. „Damit werden Brücken zu den Elternhäusern gebaut“, sagte die Vize-Landesvorsitzende Maike Finnern.
Für Giffey ist entscheidend, dass Kinder schwimmen lernen. In sozialen Netzwerken erntete sie für ihre Äußerung viel Ablehnung. Auch der Zentralrat der Muslime ist skeptisch. „Solche Burkini-Pseudodebatten, die nebenbei die Rechten weiter stärken, lenken wieder von den eigentlichen Problemen ab“, sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag).
Die Frauenrechtlerin und Gründerin einer liberalen Moschee, Seyran Ates, widersprach ebenfalls der Darstellung, Burkinis seien vertretbar. „Nein, das sind nicht, Frau Ministerin“, erklärte Ates auf Facebook. Der Islam-Experte Ahmad Mansour schrieb in dem sozialen Netzwerk zu Giffeys Äußerung: „Natürlich müssen alle Kinder lernen zu schwimmen, aber ohne Symbole der Unterdrückung.“