Reitsport Vom Reiz, in vollem Galopp durch die Gelpe zu preschen

Für Lokalmatadorin Sarah Rüger war der Start beim Vielseitigkeitsturnier des Wuppertaler Reit- und Fahrvereins ein Riesenerlebnis.

Reitsport: Vom Reiz, in vollem Galopp durch die Gelpe zu preschen
Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Die Muskeln spielen unter dem glänzenden Fell der Stute. Ungeduldig tritt Sunitah von einem Huf auf den anderen. „Noch zehn Sekunden“, ruft die Starterin Sarah Rüger im Sattel zu. Das Gesicht der Reiterin wirkt konzentriert. Die Spannung ist spürbar. „Noch fünf, vier, drei, zwei“, zählt die Starterin die Sekunden herunter. Bei „Los!“ gibt die Amazone ihrem Pferd den Kopf frei, und wie ein Pfeil von einer gespannten Sehne springt die Stute im Galopp auf die Strecke. Aufmerksam verfolgt Jochen Münz, wie das Paar mit einem kräftigen Satz über den Baumstammstapel fliegt.

Wenige Minuten zuvor hat der Trainer Pferd und Reiterin auf dem Abreiteplatz auf den Start beim Vielseitigkeitsturnier des Reit- und Fahrvereins Wuppertal vorbereitet. In dem wie jedes Jahr illustren Startfeld aus ganz NRW und sogar Holland ist Sarah Rüger diesmal einzige Lokalmatadorin. „Vor heimischer Kulisse zu starten, ist nicht einfach, denn die Pferde nehmen die Veränderungen ihrer gewohnten Umgebung besonders intensiv wahr.“ Im vorangegangenen Springen hatte sich Sunitah irritieren lassen, war über die Schulter weggelaufen und hatte so eine Verweigerung provoziert. „Die kostet 20 Punkte“, sagt Jochen Münz.

Reiner Münz, Reitlehrer

Etwas angespannt hatte er daher die Vorbereitung des Paares begleitet. Sunitah und Sarah wirkten jedoch gelassen und konzentriert, als sie auf den Probesprung, eine hölzerne Ecke gespickt mit Reisig, zusteuerten. „Bleib schön im Rhythmus, die Hände breit führen und versuch’ sie vor dir zu halten“, schallte die kräftige Stimme des Trainers über den Platz. Ohne zu zögern sprang die Stute über das schmale Holzhindernis und landete sicher. „Sehr gut!, lobte er.

Nun wartet Jochen Münz unruhig, dass die Reiterin mit der Nummer 23 auf dem weißen Leibchen in sein Blickfeld zurückgaloppiert. „Dort geht es auf der Wiese am Wald ent-lang über einen Tisch und dann zurück hier hoch“, sagt er und deutet mit dem Finger auf die von Bäumen gesäumte Senke.

„Insgesamt liegen 18 Hindernisse und 20 Sprünge vor den Paaren. Wir haben zwei Kombinationen auf dem 1900 Meter langen Kurs.“ Die Bestzeit liegt bei 3:30 Minuten. „Jede Sekunde Überschreitung bedeutet ein zusätzlicher Punkt“, erläutert Jochen Münz. „Los, lass gehen!“, schreit er im nächsten Moment Sarah Rüger entgegen, als sie im gestreckten Galopp an ihm vorbeiprescht. Leicht federnd sitzt die zierliche Reiterin im Sattel. Unter ihr trommeln die Hufe dumpf auf dem weichen Waldboden. Den Oberköper weit nach vorne gebeugt, hält sie bergan auf das schmale Dach zu. Sunitah drückt mächtig ab, segelt über die Spitze, landet, und beide verschwinden zwischen den Bäumen. Einen Moment lang ist nur der dumpfe Dreitakt der Pferdehufe zu hören. Dann tauchen beide am Ende des Springplatzes wieder auf. Sarah hat das Tempo gedrosselt, sich im Sattel aufgerichtet, noch eine weitere Parade und dann passiert es: Sunitah kommt aus dem Rhythmus und bleibt vor dem nächsten Hindernis stehen. Sarah reagiert sofort, wendet die Stute und galoppiert erneut auf den Holzstoß zu. Diesmal springt Sunitah ohne zu zögern.

„Das war mein Fehler. Da habe ich gebremst, weil ich dachte, dass der Boden dort zu rutschig ist“, analysiert die 21 Jahre alte Reiterin später. Sie ärgert sich nicht, dass sie damit die Chance auf eine gute Platzierung vergeben hat (am Ende wird es Rang 41). „Wir hatten in der Dressur eine Wertnote von 7,0. Das ist schon ganz gut. Ich wollte unbedingt auf die Geländestrecke und da hat sich Sunitah heute sehr gut angefühlt“, sagt Sarah Rüger und klopft ihrem zehn Jahre alten Pferd den verschwitzen Hals. Bei der Vielseitigkeit reizt sie das Tempo. „Die Kraft von Sunitah und ihr Eifer übertragen sich in dem Moment auf mich.“

Zurück zum Ende ihres Rits: Im gleichmäßigen Rhythmus donnern die Hufe über den weichen Waldboden. Absprung, Landung, hinein ins Wasser. Es sprudelt und spritzt, während Pferd und Reiter ihren Weg über den nächsten Baumstamm fortsetzen. Das Ziel liegt vor ihnen, sie fliegen ihm entgegen. Der Tisch mit den bunten Primeln, ein mächtiger Satz, dann der Stamm mit der Hecke: ein letztes Mal abspringen, fliegen, landen. „Die Nummer 23 ist im Ziel mit einer Zeit von 4,08 Minuten“, schallt es aus dem Lautsprecher. Sarah Rüger lässt die Stute in den Schritt fallen und lächelt entspannt.

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