Lieber Regisseur als Lehrer: Peter Wallgram feiert Premiere

Der 32-Jährige wollte eigentlich Pauker werden. Jetzt ist er Bühnen-Assistent und stellt am Samstag seine erste größere Regiearbeit vor.

Wuppertal. Wer (Theater-)Geschichte schreiben will, muss nicht zwingend Historiker sein. Und wer eine pädagogische Ader hat, landet nicht zwangsläufig am Lehrerpult. Trotzdem (oder gerade deshalb) ist Peter Wallgram sichtlich zufrieden. Der Historiker, der eigentlich Pauker werden wollte, ist das beste Beispiel dafür, dass viele Wege zum Regiestuhl führen - und dass man Theaterblut lecken kann, auch wenn ein Schauspielhaus nicht gerade zum Greifen nahe liegt.

"Ich bin theaterfern aufgewachsen", sagt der Regieassistent der Wuppertaler Bühnen, der "in der Tiroler Provinz groß geworden" ist. Dort beschränkte sich der Kulturbegriff auf Ausflüge, die nur sporadisch Schule machten: "Einmal im Jahr haben wir mit der Klasse ein Musical besucht", erzählt der 32-Jährige.

Keine Eltern, die ihn in die Oper zerrten, kein Vitamin B und keine Bühne in unmittelbarer Nähe. Wie um alles in der Welt kommt man unter diesen Voraussetzungen dazu, Theater zu machen? Indem man Lehramtsstudent wird und nach Innsbruck zieht.

Wem das Spanisch vorkommt, der kann sich von Wallgram gerne erklären lassen, wie man heimliche Leidenschaften am besten öffentlich verbindet: "Als Student habe ich in der Kleinkunstszene mitgemischt, war Statist und Schauspieler." Für Geschichte und Spanisch hatte er sich damals entschieden. Und auf eines legt er Wert: "Ich habe gerne studiert - mit Abschluss." Mehr noch. Es folgte ein Aufbaustudium in Osnabrück, das ihn zum Theaterpädagogen machte, samt der Erkenntnis, dass "ich kein Pädagoge, sondern lieber Regisseur werden wollte".

Ein Ziel, das nun zum Greifen nahe ist: Offiziell ist er zwar nach wie vor Regieassistent, faktisch fiebert er aber als Regisseur seiner ersten großen Premiere entgegen. Seine Karriere als Strippenzieher hinter den Kulissen soll am 2. Januar mit einem Schauspiel von Felicia Zeller in Fahrt kommen: "Ich Tasche" heißt das Stück, das den ganz alltäglichen Wahnsinn in einem ICE spiegelt.

"Es ist ein Glücksfall, mit Schauspielern arbeiten zu dürfen, die trotz des immensen Arbeitspensums so engagiert, konstruktiv und positiv bei der Sache sind", lobt Wallgram und meint damit Sophie Basse, Maresa Lühle, Holger Kraft und Marco Wohlwend, die Charaktere mimen, die wohl jeder aus eigenen Zugfahrten kennt: den Sitzplatz-Beleger, der seine Tasche demonstrativ auf den Sessel neben sich stellt, den Dauertelefonierer, der lautstark Beziehungsprobleme analysiert, oder den Autisten, der krampfhaft, jedoch vergeblich in die Buchlektüre zu flüchten versucht.

Dabei gehört Wallgram sicherlich nicht zu denen, die im Zug laut polternd das Handy zücken. Leise und doch bestimmt, emotional, aber auch analytisch spricht er über das Theater, das ihm am Herzen liegt. "Natürlich bin ich dafür, dass das Kleine Schauspielhaus erhalten wird." Nicht zuletzt, weil sich die Hoffnungen bestätigt hätten: "Die Spielstätte wird sehr gut angenommen. Die Gäste-Mischung ist urbaner und jünger als früher - so, wie man sie sich wünscht."

Zwei Spielzeiten lang war Wallgram als Regieassistent unter Generalintendant Gerd Leo Kuck engagiert. "Jetzt bin ich sehr froh, beim Neuanfang dabei sein zu dürfen." Zumal er sich in Wuppertal längst verliebt hat. "Die Stadt ist schön und interessant. Sie erinnert mich an meine Heimat - an Berg und Tal."

Und auch wenn die aktuelle Diskussion um die drohende Schließung des Schauspielhauses einer Talfahrt gleicht, ist sich der überzeugte Radfahrer sicher: Er hat den richtigen Weg zum Regiestuhl gefunden. "Für mich ist das Theater die Schule der Gesellschaft - ein Labor der Wirklichkeit. Als Historiker hat man am Ende ein Buch oder eine Studie in der Hand. Als Regisseur liefert man einen Abend ab, der für die Zuschauer im Idealfall auch sinnlich ein Gewinn ist."

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