Auf Tuchfühlung mit dem vulgären Regenten

Premiere: Der Jugendclub der Bühnen verblüfft mit „König Ubu“, seltsamen Figuren und einer Inszenierung, die dicht am Publikum ist.

Wuppertal. Die Leute auf dem Weg ins Kino staunen, kommen näher, bleiben eine Weile stehen. Die lange Tafel vom Hofe Vater Ubus reicht durch die breiten Türen des Containers vor dem Schauspielhaus ins Freie, die Schauspieler des Jugendclubs der Wuppertaler Bühnen laufen auf dieser Spielfläche hinaus und hinein. Besonders, wenn Mutter Ubu (Daniela Bädje) in der Farce von Alfred Jarry ihren Gatten um den Container jagt, zieht das seltsame Paar alle Blicke auf sich.

Vater Ubu ist dick, gefräßig, habgierig und stinkt. Nina Zorn steckt in einer tonnendicken Wattierung, darüber trägt sie nur eine Feinripp-Unterhose mit Hosenträgern. Herrlich formt sie einen weinerlichen Gesichtsausdruck, verstärkt durch die schwarzen Augenhöhlen und den rot umrandeten Mund. Wenn Vater Ubu Geld wittert, strahlen dann plötzlich ihre Augen, sie stolziert umher, kriecht dann im nächsten Moment wieder ängstlich herum.

Gleich zu Beginn serviert Regisseur Markus Höller als Freundschaftsmahl Götterspeise. Im Laufe der einstündigen Aufführung von "König Ubu" verteilt sich diese immer mehr über den Tisch, wird breitgetreten, fliegt herum - eklig sind auch die Machenschaften von Vater Ubu, der den König ermordet und dann blutrünstig und geldgierig regiert.

Sehr hübsch ist der Einfall, den "Adeligen-Haken", mit dem Ubu die Adeligen ins Todesloch befördert, durch eine Müllsammel-Zange zu ersetzen. Mit ihr holt Ubu den von immer derselben Schauspielerin gespielten Adeligen die Hüte vom Kopf und wirft sie beiseite.

Hauptmann Bordure bildet dazu ein Gegengewicht: Ernst, ungerührt von Ubus Vulgarität und etwas hochmütig steht Lisa Hofmann mit Dreispitz, Offiziersjacke und Schnurrbart da, abwartend und den eigenen Vorteil suchend. Die anderen Figuren sind bunt aus der Theatergeschichte zusammengewürfelt und passen damit zu dem ursprünglich als Marionettentheater geschriebenen Stück. So trägt eine Figur ein rot-weißes Columbine-Kleid mit abstehendem Röckchen und dazu den Blechhelm der Soldaten, eine andere ist orientalisch gekleidet, eine dritte mit Jeans und Soldatenrock.

Die Massen- und Kampfszenen hat Höller gestrichen, ebenso die Nebenhandlung um den Königssohn Bougrelas. Stattdessen erzählt Tim Barthelmes diese Teile, packt die Schauspieler wie Puppen bei den Schultern und stellt sie an den Ort ihres nächsten Einsatzes. Das Publikum, darunter auch Intendant Gerd Leo Kuck, sitzt im Container an der Tafel zwischen den Schauspielern und am Rand drumherum. Es gibt Szenenapplaus, viel Gelächter und Beifallsstürme am Schluss für eine wirklich beeindruckende Schauspielleistung.

Wer die Premiere verpasst hat, kann König Ubu am Donnerstag, 12. Juni 2008, noch einmal um 20 Uhr treffen.

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