Neuss: Finanzberatung - Und plötzlich war das Geld weg

Antje Freudenberg fühlt sich von ihrer Bank über den Tisch gezogen. Sie demonstriert regelmäßig.

Neuss. Ein lauter Pfiff ertönt. Antje Freudenberg steht vor der Neusser Filiale der Citibank und demonstriert. Sie hat mit Zertifikaten von Lehman Brothers mehrere zehntausend Euro verloren. Ihre Botschaft: "Wir wurden von unserer Bank falsch beraten." Jetzt wollen sie und ihre Mitstreiter ihr Geld zurück.

2006 hat Freudenberg ihr erstes Zertifikat gekauft - zwei Jahre vor der Pleite der amerikanischen Bank am 15. September 2008.

Auf Nachfrage habe die Bank ihr erklärt, wofür die Initialen "LB" auf ihrem Zertifikat stehen. Dass ihr Papier am Wohl dieser amerikanischen Bank hängt, hat sie erst einmal nicht beunruhigt: "Sie sagten mir, dass es sich bei LB um die viertgrößte Bank in Amerika handelt und da habe ich gedacht, das sei schon in Ordnung." Heute sagt sie: "Das tatsächliche Risiko wurde mir nicht erklärt."

So kauft Freudenberg 2007 ein weiteres Zertifikat. "Damals wusste ich zwar, dass der Wert der Zertifikate heruntergegangen ist, aber nicht, worauf das hinausläuft", erinnert sich die heute 68-Jährige. Zählt Freudenberg zu denen, die von ihrer Bank in Sicherheit gewiegt wurden, oder ist sie damals bewusst ein hohes Risiko eingegangen?

Jedenfalls kommt dann im Herbst 2008 der Schock: Mit der Pleite von Lehman Brothers sind Freudenbergs Zertifikate wertlos.

"Wir bedauern, was passiert ist", sagt der Pressesprecher der Citibank, Ingo Stader. Es handele sich bei der LB-Pleite um eine außergewöhnliche Situation.

"Wir können die hohen Standards bei unseren Beratungen nachweisen, und wir haben viele Fälle individuell überprüft." Wo die Citibank eigene Fehler entdeckte, habe die Bank die seit Mai geltende Kulanzregelung genutzt, um den Kunden einen Teil ihres verlorenen Vermögens wiederzubeschaffen.

"Das jeweilige Risiko haben wir zum Beispiel deutlich sichtbar auf den Produktflyern ausgewiesen", so Stader. So könnten sich die Kunden zu jedem Finanzprodukt und jedem Zertifikat ausführlich informieren. Erst dann würde der Kunde unterschreiben. "Lehman-Brothers stand auf diesen Produktflyern auch erkennbar drauf."

Dem Kompromiss, den die Verbraucherzentrale mit der Citibank zur Entschädigung der Kunden entwickelt hat, misstraut Freudenberg. Demnach wird anhand eines Fragebogens ermittelt, wie viel Geld man zurückbekommt - nach Kriterien wie Anlagenhöhe, Riskobereitschaft und Alter des Kunden. "Ich habe mir 33 Prozent des ursprünglichen Kaufwerts der Zertifikate ausgerechnet", so Freudenberg.

Der Pressesprecher der Citibank erklärt: "Diese Kulanzregelung gilt zum einen für die Menschen, die besonders hart getroffen wurden, und jetzt einen finanziellen Notstand haben. Zum anderen soll sie den unerfahrenen Verbrauchern zugute kommen."

Das Depot bleibe dabei erhalten. Mit anderen Worten: Betroffene Kunden können mithilfe der Kulanzregelung einen Teil ihres Geldes wiederbekommen und zusätzlich vom Insolvenzverfahren profitieren. Infos zur Kulanzregelung gibt es bei der Verbraucherzentrale NRW (siehe Kasten).

Weiterhin protestieren Freudenberg und ihre Mitstreiter regelmäßig vor der Neusser Filiale der Citibank. "Die Neusser sind uns gegenüber sehr ausgeschlossen." Wie zum Beweis kommt eine Passantin auf die Rentnerin zu, schüttelt ihr die Hand und sagt: "Machen Sie unbedingt weiter.

Das ist toll, was Sie tun. Ich wünsche Ihnen alles Gute." Freudenberg und ihre Mitstreiter sind wie sie meist im Rentenalter. Auf den Handzettel, die sie verteilen, fragen sie: "Frau Merkel, wer hilft uns Kleinanlegern?" Freudenberg will auf jeden Fall nicht aufgeben: "Es sind schwere Schicksale dabei.

Zum Teil haben Menschen alles auf eine Karte gesetzt. Eine Entschuldigung von der Politik wäre schön", sagt sie und fügt entschlossen hinzu: "Wir wollen unser Geld zurück und die anderen Menschen warnen, dass sie in Zukunft bei Bankgeschäften auf der Hut sind."

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