Corona-Lockerungen in Neuss Deutliche Kritik an der 800-Quadratmeter-Grenze

Neuss. · Kleine Läden bereiten sich auf Öffnung vor. In der Gastronomie wächst die Existenzangst.

 Klaus Gravemann darf sein „Bücherhaus am Münster“ ab Montag wieder öffnen – mit Einschränkungen.

Klaus Gravemann darf sein „Bücherhaus am Münster“ ab Montag wieder öffnen – mit Einschränkungen.

Foto: Woitschützke/Andreas Woitschützke

Leichtes Durchatmen bei Neusser Einzelhändlern: Viele Inhaber, die über weniger als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche verfügen, organisieren derzeit die Wiedereröffnung am Montag. Aber wie ist die Lage bei größeren Häusern, Gastronmie und Co.? Ein Überblick.

Einzelhandel

Die Neusser Nordstadt oder die Neustraße in der Innenstadt sollten ab Montag wieder etwas belebter sein als in den vergangenen Wochen. Schließlich befinden sich dort viele kleine, inhabergeführte Geschäfte, die wieder öffnen dürfen – wenn auch nur eingeschränkt. „Grundsätzlich halte ich die Lockerungen für richtig. Ich kann jedoch nicht nachvollziehen, weshalb die 800-Quadratmeter-Grenze gezogen wurde“, sagt Ralph Dymek, Vorsitzender des Werbekreises Nordstadt, dessen Mitglieder ab Montag ausnahmslos wieder öffnen dürfen. Für die Einzelhändler sei es wichtig, wieder Präsenz zu zeigen. Das findet auch Regina Lewejohann von der Gutenberg-Buchhandlung an der Neustraße, die die vergangenen Wochen einigermaßen gut mit Hauslieferungen, Abholung oder Post-Sendungen überbrücken konnte. Was ihr auffiel: „Hier an der Neustraße haben viele Einzelhändler die Zeit genutzt, um zu renovieren oder Ware zu sortieren.“ Christoph Napp-Saarbourg, Vorsitzender der Zukunftsinitiative Innenstadt Neuss (ZIN), begrüßt zwar die Lockerungen, „ich halte die Regeln aber noch für ziemlich unausgegoren. Es gibt viele offene Fragen – auch in Bezug auf Hygiene-Richtlininen“.

Große Häuser

Während sich bei den kleinen Geschäften etwas Erleichterung breitmacht, herrschte bei manchen größeren Häusern am Donnerstag noch Ungewissheit. „Stand jetzt, wissen wir noch nicht, ob wir am Montag aufmachen dürfen. Ich gehe derzeit nicht davon aus“, so ein Mitarbeiter in Führungsposition des Möbelhauses Höffner am Donnerstagvormittag. Am Nachmittag gab Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann dann bekannt, dass Möbelhäuser (und auch Babyfachmärkte) ab Montag wieder öffnen dürfen, was für den Rhein-Kreis unter anderem auch bedeutet, dass Häuser wie Knuffmann oder Ikea in Kaarst wieder öffnen.

Weiterhin geschlossen bleibt das Modehaus Heinemann mit einer Verkaufsfläche von 3500 Quadratmeter. „Ich sehe die neue Regelung als klaren Nachteil für größere Geschäfte“, sagt Geschäftsführer Jochen Niehoff. Selbst wenn rein rechtlich die Möglichkeit bestünde, die Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter zu verkleinern, würde es nichts bringen. „Logistisch möglich wäre das erst ab 2000 Quadratmeter“, sagt Niehoff. Kritik an den neuen Regeln gibt es auch vom Deutschen Handelsverband: „Lockerungen der Ladenschließung dürfen sich nicht an Betriebsgrößen oder Verkaufsflächen festmachen. Die jetzt beschlossenen Vorgaben führen zu Wettbewerbsverzerrungen und Rechtsunsicherheiten“, sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Unklarheit herrscht beim Rheinpark-Center. Wird es als ein Haus gewertet und bleibt geschlossen? Oder werden alle Geschäfte einzeln gewertet, dürfen öffnen? Um genau diese Fragen zu klären, wartet die Stadt auf die Rechtsverordnung des Landes, wie Stadtsprecher Peter Fischer mitteilt. Im Hintergrund bereite man sich jedoch auf die verschiedenen Szenarien vor, betont auch Center-Manager Anastasios Meliopoulos.

Gastronomie

Für Kneipen und Restaurants wird die Lage immer ernster. Volker Finke, der in Neuss drei Häuser leitet (Zoco Bella, Zoco im Kleeberg und Pozo Quirino) sagt: „Die Situation ist für viele wirtschaftlich fast nicht mehr zu tragen. Nach dem 3. Mai muss einfach etwas passieren, sonst weiß ich nicht, wie viele Gastronomie-Betriebe in Neuss überhaupt wieder aufmachen können.“ Allein im Zoco Bella habe er in den vergangenen Wochen Umsatzeinbußen zwischen 40 000 und 50 000 Euro verzeichnet. Staatliche Soforthilfe musste auch Karl Kehrman, Chef des Brauhauses „Im Dom“, beantragen. Für die verlängerten Beschränkungen habe er jedoch Verständnis: „Gesundheit geht jetzt eben vor.“

Kontrollen

Bereits in den vergangenen Wochen hat das Ordnungsamt – mit Kollegen aus anderen Verwaltungsbereichen – intensiv kontrolliert. Da es ab Montag zu einem erhöhten Aufkommen vor allem in der Innenstadt kommen kann, wird die Intensität nach Angaben der Stadt nicht zurückgefahren.

Schausteller

In Düsseldorf wird darüber nachgedacht, die Rheinkirmes in eine Art kontrollierten Freizeitpark umzugestalten. Neuss ist zurückhaltender. „Ich denke nicht, dass das hier möglich ist“, sagt Schausteller Josef Kremer. In Düsseldorf bestehe die Möglichkeit, die Kirmes zeitlich auszudehnen, in Neuss nicht

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