Meerbusch entdecken Der jecke Norden von Meerbusch

Norbert Paas berichtet bei einem Rundgang durch Nierst über historische Höfe, viele Pferde und Karneval.

 Norbert Paas an dem Gebäude, das einst die Nierster Schule war. Heute ist darin ein Kindergarten untergebracht.

Norbert Paas an dem Gebäude, das einst die Nierster Schule war. Heute ist darin ein Kindergarten untergebracht.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Nierst ist die nördlichste der drei Rheingemeinden Meerbuschs. Das Dorf ist stolz darauf, sich als Freie Herrlichkeit bezeichnen zu können, weil schon Hildegundis von Meer im Mittelalter den beiden großen Höfen in Nierst Abgabenfreiheit und niedere Gerichtsbarkeit zugebilligt hatte. Eigenwillig und eigenständig gibt sich das Dorf auch heute noch, was sich besonders im Karneval manifestiert.

Mit Norbert Paas, Vorsitzender des Bürgervereins und natürlich auch Mitglied im Karnevalsverein, treffe ich mich zum Ortsspaziergang beim Pajas, eine der typischen Figuren des ‚Neeschter‘ Frohsinns. „Ich habe schon den Pajas dargestellt, war Kinderprinz und viermal Minister“, zählt Paas auf. Die Bronzefigur steht auf dem zentralen Platz des Dorfes, wo sich auch Feuerwehr, Kindergarten und Bürgerräume befinden. „In dem Haus, wo heute der Kindergarten ist, war früher die Volksschule“, erzählt der Ur-Nierster, der seinen Stammbaum bis ins Jahr 1725 zurückverfolgen kann. „Im Schulgebäude gab es in den 1950er Jahren zwei Klassenräume für acht Jahrgänge“, erinnert sicht Paas. Das habe gut geklappt, wenngleich der Lehrer wenig Wert auf die deutsche Sprache gelegt, sondern platt gesprochen habe. Das sei allerdings nicht das erste Schulgebäude des Dorfes gewesen. Früher unterrichtete der Lehrer im sogenannten Hirtenhaus an der heutigen Straße Am Ziegelofen.

Jenseits des Dorfplatzes steht die Kirche St. Cyriakus, wo Paas geheiratet, die Kinder getauft und deren Hochzeit gefeiert hat – obwohl er selbst evangelisch ist. „Ich bin aber immer bei den Katholiken mitgegangen. Nierst war stets liberal.“

Auf dem Vorplatz der Kirche findet sich ein Ehrenmal für die Gefallenen der Weltkriege. „Sehen Sie, hier steht auch der Name meines Onkels Mathias, der in Monte Cassino gefallen ist.“ Man denke jetzt darüber nach, auch die Vermissten zu vermerken. „Ein anderer Onkel von mir ist in Russland verschollen“, ergänzt Paas.

Nun geht es die Stratumer Straße hinunter, wo Paas’ (groß-)elterliche Haus heute noch steht. „Damals hatten wir Schweine, Hühner und Schafe und haben selbst geschlachtet“, erinnert er sich. Jetzt hängt ein rundes Schild über der Tür. Das verrät: Hier befand sich einst „Der Dorfladen. Die Jalousien sind geschlossen. „Meine Schwiegertochter hat versucht, hier einen Laden zu führen, aber es hat sich nicht gelohnt.“

Von dort ist es nicht weit bis zum Seisthof, einem der Gehöfte, die Nierst begründet hatten. „Seist war in fränkischer Zeit ein Begriff für größere Flussinseln“, erklärt der Nierster Paas. Ehe ein Rheindeich gebaut wurde, sei der Seisthof immer mal wieder vom Wasser umspült worden. „Daher wurde eine große Baumreihe gepflanzt, um das Gehöft vor Eisschollen zu schützen.“ Die Baumreihe ist heute noch gut sichtbar. Grüne Wiesen und Pferdekoppeln ziehen sich von hier bis an den Rhein, ein Pfund, mit dem Nierst wuchern kann. Blickt man vom neuen Deich über die Landschaft, sei das wie Urlaub, sagt Paas, der täglich zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist. „Hier engt nichts den Blick ein. Man fühlt sich frei.“ Oft beobachte er Greifvögel und Spechte. Störche würden in den Rheinwiesen Rast machen und so mancher Fuchs und Hase sagen sich hier gute Nacht. Gerade tollen einige Fohlen über die Koppeln. „Wir sind der drittgrößte Ortsteil Meerbuschs“, sagt Paas stolz. Womit er die Fläche meint. Nicht Einwohner, aber Pferde gebe es in Nierst besonders viele, da Nutztiere weitgehend abgeschafft wurden.

Wir besuchen auch das zweite wichtige Nierster Gehöft, den Werthhof. „Hier habe ich als Kind viel gespielt, weil ich mit den Zwillingen des Bauern befreundet war“, sagt Paas und erzählt vom Versteckspielen im Schweinestall und den riesigen Keksrationen, die eine Fabrik den Tieren zukommen ließ – und wovon auch die Kinder naschten.

„Heute gibt es hier keine Landwirtschaft mehr. Allerdings war der Hof schon mehrmals Kulisse eines Spielfilms“, ergänzt der Nierster. Sogar Mario Adorf sei hier gewesen. Er selbst habe sich lange Zeit am Werthhof mit Freunden getroffen, um als Gruppe ‚Werthhof 1’ einen Wagen für den Rosenmontagszug zu bauen.

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