Angriffe auf Einsatzkräfte in Mönchengladbach Freifahrtschein durch Alkohol?

Mönchengladbach. · Ordnungskräfte und Retter müssen sich täglich die übelsten Beleidigungen anhören. Auch tätliche Übergriffe nehmen zu. Doch oft sind die Angreifer betrunken, und Strafverfahren gegen sie werden eingestellt.

 In einem Trainingszentrum übt die Polizei den Umgang mit tätlichen Angriffen.

In einem Trainingszentrum übt die Polizei den Umgang mit tätlichen Angriffen.

Foto: dpa

Der jüngste tätliche Übergriff auf einen Mönchengladbacher Polizisten liegt nur wenige Wochen zurück: Ein Bezirksbeamter wird zu einem Schulhof in Pesch gerufen, auf dem junge Männer am Nachmittag angeblich mit Drogen handeln. Der Ordnungshüter will die Gruppe ansprechen, wird jedoch sofort angegangen. Bei einer Rangelei verletzt ein Angreifer den Polizisten so schwer, dass er danach dienstunfähig ist.

Im Juni vergangenen Jahres wird ein Rettungssanitäter bei einem Einsatz am Nachmittag in der Altstadt angegriffen und bewusstlos geschlagen. Der Sanitäter wollte eigentlich einem betrunkenen Verletzten helfen, zu dem er gerufen worden war. Doch der Patient pöbelt, beleidigt und schlägt schließlich mit der Faust zu.

Im Juli 2018 gibt es Ärger an der Bergerstraße: Eine Entsorgungsfirma ruft den Kommunalen Ordnungs- und Sicherheitsdienst (KOS), weil Mitarbeiter von einem Mann bedroht werden. Auch der eintreffende Ordnungsdienst-Mitarbeiter muss sich üble Beleidigungen anhören. Plötzlich steigt der Wütende in seinen Wagen, startet und steuert direkt auf den KOS-Mitarbeiter zu. Der kann nicht mehr ausweichen und erleidet Prellungen.

Das sind nur drei Beispiele von Übergriffen auf Retter und Ordnungshüter. Die Politik hatte ein hartes Durchgreifen gegen solche Vergehen versprochen. Doch oft sieht die Wirklichkeit anders aus. Gerade erst sei ein Verfahren nach einer Attacke auf einen Feuerwehrmann eingestellt worden, „weil der Angreifer wegen übermäßigen Alkoholkonsums nicht zurechnungsfähig war“, sagt Thomas Enk, Vorsitzender der Verdi-Landesfachgruppe Feuerwehr und Personalratsvorsitzender der Stadt Mönchengladbach. „Alle vollmundigen Sonntagsreden nutzen uns Feuerwehren nichts, wenn bei den Bürgern der Eindruck entsteht, dass Alkohol- oder Drogeneinfluss eine Entschuldigung dafür ist, ruhig mal die Rettungskräfte anzugreifen“, sagt er.

Bei der Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft gibt es seit Beginn des Jahres ein neues Sonderdezernat, das sich ausschließlich mit Übergriffen auf Polizisten, Retter und Ordnungskräfte, die im öffentlichen Auftrag unterwegs sind, beschäftigt. 366 Verfahren werden und wurden dort seit 1. Januar geführt. Schnell hatte sich herausgestellt, dass die ursprünglichen zwei Dezernenten für die Arbeit nicht ausreichen. Jetzt ist ein weiterer Kollege hinzugekommen.

2018 wurden 142 Strafanträge
gestellt, 27 mehr als im Vorjahr

Auch die Statistik der Polizei belegt: Übergriffe und Beleidigungen haben zugenommen. 2018 wurden 142 Strafanträge gestellt, weil Polizisten im Dienst übel beschimpft und bedroht wurden. Im Jahr davor waren es noch 115 Anzeigen. Polizeipräsident Mathis Wiesselmann unterstützt als Behördenleiter die Anzeigen grundsätzlich. Denn auch ihm ist wichtig, dass diese Fälle bestraft
werden.

Zwei Beispiele dafür, was sich die Beamten anhören müssen: „Ist mir scheiß egal, wenn ich lebenslänglich in den Knast gehe, aber dich bringe ich um“ oder „Ich bring dich um, du Bullenschwein“. Die meisten Beleidigungen sind kaum zitierfähig.

124 Widerstände im Jahr 2018 und 31 tätliche Angriffe auf Polizisten (112 Widerstände waren es 2017, tätliche Angriffe wurden noch nicht gesondert erfasst) sind ebenfalls ein Beleg für die steigende Gewaltbereitschaft. Drei Landesbeamte wurden im vergangenen Jahr so schwer verletzt, dass sie dienstunfähig geschrieben werden mussten. 2017 gab es einen Fall. „Ältere Kollegen, die eine längere Dienstzeit überblicken, berichten von einer zunehmenden Verrohung und Zunahme der Respektlosigkeit“, sagt ein Polizeisprecher.

Auch die städtischen Mitarbeiter müssen sich immer häufiger Beleidigungen anhören. Betroffen sind fast alle Bereiche mit Publikumsverkehr, Feuerwehrleute und der KOS. Zwar ist geplant, dass alle Übergriffe und Beleidigungen auf Stadtmitarbeiter zentral beim Rechtsamt erfasst werden, aber verlässliche Zahlen gibt es laut Auskunft aus dem Rathaus noch nicht. Offenbar ist die allgemeine Verrohung aber auch dort deutlich zu spüren. Seit Beginn des Jahres gibt es ein neues Sicherheitskonzept für die Mitarbeiter.

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