Jan ist auch irgendwie Ingo

Lebenshilfe: In Gladbach gibt es ein bundesweit einmaliges Projekt für Total-Verweigerer, also junge Leute, die aus allen Hilfsmaßnahmen geflogen sind.

Mönchengladbach. Jan T. fällt auf: die rote Punkerfrisur, die vielen Piercings, Ketten und Armbänder. Schon in der Fußgängerzone zieht er die Blicke auf sich, aber an seinem Arbeitsplatz fällt er noch mehr aus dem Rahmen. "Zu Anfang haben die Kinder manchmal gelacht", sagt er, "aber jetzt haben sie sich dran gewöhnt."

Jan T. macht ein Praktikum in einer integrativen Kindertagesstätte, die die Evangelische Stiftung Hephata an der Christoffelstraße betreibt. Das Praktikum gehört zu seiner Ausbildung zum Heilerziehungshelfer. Im Mai ist er fertig. Und die nächste Etappe hat er schon ins Auge gefasst: Er will Erzieher werden.

Eine so zielstrebige Lebensplanung war lange Zeit nicht Jans Sache. Der 23-Jährige hat einiges hinter sich: familiäre Probleme, Heimaufenthalte, Obdachlosigkeit, Zoff mit der Polizei, Alkoholprobleme. Mit vierzehn will er bei Nacht und Nebel von zu Hause abhauen. Das Verhältnis zu seinen Eltern ist nicht das beste. Er kommt ins Heim, wechselt die Schulen, geht nach der neunten Klasse ohne Abschluss ab.

Während er in einem Projekt des Betreuten Wohnens unterkommt, macht er doch den Hauptschulabschluss, kriegt aber trotzdem die Kurve nicht. Er fliegt auch dort raus, kommt bei Freunden unter, tingelt durch die Gegend, lebt von der "Stütze".

Dass seine Geschichte jetzt vielleicht doch noch eine Erfolgsstory wird, hat einige Gründe, aber einen Auslöser: "Ingo". Das ist ein bundesweit einmaliges Projekt, das Hephatas Jugendhilfeabteilung im Auftrag der Arge Mönchengladbach betreibt.

"Ingo" steht für Integration und Orientierung und ist oft die letzte Chance, die sich Jugendlichen bietet. Zwei Sozialpädagogen arbeiten mit zwölf Jugendlichen, betreuen sie individuell, holen sie in der Anfangsphase auch schon mal aus dem Bett, damit sie wirklich erscheinen und helfen ihnen, sich an einen geregelten Arbeitstag zu gewöhnen. Das fällt natürlich nicht immer leicht.

"Die Arge hat mich schon unter Druck gesetzt", gesteht Jan T. Aber die bunt gemischte Truppe, in der er sich bei "Ingo" schließlich wiederfindet, gefällt ihm. Er gewöhnt sich ans regelmäßige Aufstehen und Arbeiten. Zum "Ingo"-Projekt gehört neben dem Heranführen an einen geregelten Tagesablauf Erlebnispädagogik wie Klettern, Boxen oder Fußball, aber auch ein De-Eskalationstraining ist zwingend dabei.

"Die Stabilisierungsphase dauert zwei bis drei Monate", sagt Evi Wuletin-Bertho, die das Projekt von Anfang an betreut. "Während dieser Zeit renoviert jede Gruppe erst einmal die Etage, die sie selbst benutzt." Gemeinsam mit Psychologen helfen die Sozialarbeiter auch dabei, das Leben zu sortieren und Probleme aufzuarbeiten. "Die Jugendlichen, die zu uns kommen, wurden dazu verdonnert", sagt Wuletin-Bertho. "Einige finden das schrecklich, aber viele sind dankbar."

Jans "Ingo"-Truppe beginnt nach der Eingewöhnungsphase damit, Hephata-interne Aufträge anzunehmen und abzuarbeiten. Das Entrümpeln von Kellern gehört dazu, Streichen und Tapezieren, Gartenarbeiten. Eine kleine Fahrradwerkstatt wird eingerichtet. Auch Praktika gehören zum Projekt.

Jan arbeitet unter anderem in einer Wohngruppe für Behinderte. "Ich habe gemerkt, dass ich da gut zurecht komme", erzählt er. "Warum sollte ich es also nicht mal versuchen, so etwas beruflich zu machen?" Er beginnt an der Berufsfachschule für Heilerziehungshilfe eine zweijährige Ausbildung und steht jetzt kurz vor dem Abschluss. "Ich möchte aber weitermachen", sagt er. "Ich habe mich am Berufskolleg um einen Ausbildungsplatz beworben." Sein Ziel: als Erzieher mit Jugendlichen zu arbeiten.

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