Jakob Odenthal war von 1930 bis 1945 der Kempener Landrat Kempens Landrat zwischen den Fronten

Kempen. · Jakob Odenthal war von 1930 bis 1945 der Kempener Landrat. Historiker bewerten die Rolle des im Volk beliebten Politikers ambivalent.

 Jakob Odenthal (l.) beim Empfang von Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch (2. v. r.) nach dem Angriff auf die Niederlande im Mai 1940.

Jakob Odenthal (l.) beim Empfang von Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch (2. v. r.) nach dem Angriff auf die Niederlande im Mai 1940.

Foto: Kreisarchiv Viersen

Angesichts der vergangenen öffentlichen Erinnerung an die kommunale Neugliederung vor 50 Jahren lohnt ein Blick auf die Kreisneugliederung im Jahr 1929. Eine äußerst unliebsame Begleiterscheinung war damals für manche Spitzenbeamte die Räumung ihres Chefsessels im Kreishaus, denn weniger Kreise bedeuteten weniger Landräte.

Die Auflösung des Kreises Krefeld und die Vergrößerung des alten Kreises Kempen um Teile des Krefelder Kreises führten dazu, dass einer der beiden Landräte sein Amt verlor. In Kempen war seit 1918 Landrat Karl von Hartmann-Krey im Amt, in Krefeld lenkte seit 1922 Jakob Odenthal die Geschicke. Hartmann-Krey verlor sein Amt und musste sich fortan um Weinbauangelegenheiten in der preußischen Regierung in Koblenz kümmern. Odenthal übernahm die Verwaltung des gestärkten Kreises Kempen-Krefeld – bis 1945.

Gerhard Rehm hat sich 1995 in einer subtilen Studie mit Jakob Odenthal befasst. Im ersten Band seines Werkes „Kempen unterm Hakenkreuz“ hat dann Hans Kaiser 2013, bestens quellengestützt und behutsam im Urteil, Odenthals Lavieren auf dem „Grat zwischen Gehorsam und Gewissen“ dargestellt.

Odenthal war der Sohn
eines Bürgermeisters

Am 31. Juli 1929 trat Jakob Odenthal sein Amt in Kempen an, zunächst kommissarisch, im Frühjahr 1930 nach der Ernennung durch den preußischen Innenminister dann endgültig. Odenthal, Sohn des Bürgermeisters von Bergisch Gladbach, hatte in Tübingen, München, Berlin und Bonn Rechtswissenschaften studiert und erfolgreich abgeschlossen, am Ersten Weltkrieg teilgenommen und war laut einer ersten dienstlichen Beurteilung „ein charaktervoller Mann von sehr gefestigten Grundsätzen, von tiefer religiöser Überzeugung und von durchaus vaterländischer Gesinnung“.

Insbesondere seine kirchenfreundliche Einstellung und seine Bindung an das katholische Zentrum wären ihm nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten fast zum Verhängnis geworden, denn dort gab es sehr konkrete Bestrebungen, ihn aus der Landratsposition zu entfernen und an seine Stelle den dem Gauleiter Florian nahestehenden Kempener NSDAP-Kreisleiter Niem zu platzieren. Nachdem der Gauleiter von diesem Wunsch abließ, verblieb Odenthal auf seinem bisherigen Posten.

Das bedeutete für ihn, sich den Erwartungen der Nazis nicht völlig verschließen zu können, andererseits aber auch viele ihrer Absichten zu unterlaufen. Vollkommen schuldfrei konnte er dabei allerdings schwerlich bleiben. Wenn auch zweifellos widerwillig, trat er in die Partei ein und widersetzte sich den antijüdischen Maßnahmen nicht, wenngleich etliche Fälle gesichert überliefert sind, in denen er Gegnern des Regimes half.

Dazu zählte beispielsweise der Vorsitzende der KPD Osterath. Kirchliche Einrichtungen, wie die der Steyler Missionare oder der Schwestern in Mülhausen, wusste er vor Attacken der Nazis zu schützen. Auch die im Kreis lebenden Niederländer erfreuten sich seines aktiven Wohlwollens. Sally Rath, der nach England emigrierte ehemalige Vorsitzende der Kempener Synagogengemeinde, nannte ihn „einen mutigen, charaktervollen Mann und einen vornehmen Menschen“.

Das Gegenteil von Begeisterung sprach aus Odenthals Gesicht, als er am Tag von Hitlers Überfall auf die Niederlande am 10. Mai 1940 auf dem Kempener Bahnhof den Oberbefehlshaber des Heeres, Generalfeldmarschall von Brauchitsch, begrüßte. Ähnliches gilt für den Händedruck mit Hitler im Düsseldorfer Regierungspräsidium anlässlich seines Besuchs der Ausstellung „Schaffendes Volk“ im Oktober 1937, die ebenfalls im Bild festgehalten ist. Nach der Rückkehr äußerte Odenthal gegenüber einem Vertrauten über den „Führer“: „Das ist das größte Schwein in Deutschland.“

Ohne weitere Überprüfung und Bewertung seiner Amtsführung setzten ihn die Amerikaner am 19. März 1945 ab und brachten ihn in ein Internierungslager in Recklinghausen, wo er achteinhalb Monate hinter Stacheldraht verbrachte. Danach wurde er rasch rehabilitiert und in den Ruhestand versetzt. 1954 ist Jakob Odenthal 68-jährig gestorben. In der Kreisbevölkerung war er „höchst beliebt; allgemein galt er als ,hoch anständiger Charakter’“.

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