Velbert Senderstadt im Fokus der Reichsregierung

Langenberg. · Eine Übung des Stahlhelmbundes war vor genau 90 Jahren der Anlass für das sogenannte „Langenberg-Verbot“. In der Folge kam es in der Weimarer Republik zu einer handfesten Krise.

 Der „Rheinlandsender“ in Langenberg kurz nach der Errichtung um 1928. Er sollte beim Manöver des Stahlhelmbundes „verteidigt“ werden.

Der „Rheinlandsender“ in Langenberg kurz nach der Errichtung um 1928. Er sollte beim Manöver des Stahlhelmbundes „verteidigt“ werden.

Foto: Scala Verlag Velbert

Hinweise auf die beinahe vergessene Affäre fand Heimatforscher Jürgen Lohbeck durch Zufall bei der Recherche über den Langenberger Sender. Für den Bergischen Geschichtsverein referierte er jetzt über das Großmanöver in der Senderstadt und die politischen Folgen.

Die Vorgeschichte

Zum Verständnis der Ereignisse erläuterte der Langenberger zunächst die Hintergründe. So war die junge, am 9. November 1918 ausgerufene Republik alles andere als gefestigt: „Es war eine Zeit der politischen Extreme.“ Neben der auf 100 000 Mann begrenzten Reichswehr, die als republikfeindlich galt, hatten sich aus der kaiserlichen Armee mehr als 300 teils schwer bewaffnete Freikorps gebildet. Zudem gab es viele paramilitärische Wehrverbände, die sich über das ganze politische Spektrum verteilten, vom linksextremen „Roten Frontkämpferbund“ über das sozialdemokratisch orientierte „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ bis zum „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ in der äußersten rechten Ecke: „Das war organisatorisch und von der Rechtsform eher ein Verein.“ Nach außen agierte der militärisch strukturierte Stahlhelmbund als wirtschaftliche und soziale Interessenvertretung der Kriegsheimkehrer. In Wirklichkeit war der Stahlhelm antisemitisch und rassistisch, gab sich offen republik- und demokratiefeindlich, so Lohbeck. Die Organisation, die 1930 reichsweit mehr als 500 000 Mitglieder zählte und sich als Personalreserve der Reichswehr betrachtete, sah sich der militärischen Traditionspflege verpflichtet und trat im Dienst uniformiert auf. Offiziell war sie unbewaffnet.

Zum vollständigen Lagebild der jungen Republik gehört die 1919 erfolgte alliierte Besetzung des Rheinlandes sowie die Besetzung des Ruhrgebiets am 11. Januar 1923, nachdem das Deutsche Reich den Reparationszahlungen nur unzureichend nachkam. Nationale Empörung und Widerstand im betroffenen Gebiet waren die Folge. Ab August 1924 zogen die Besatzer ab – am 15. September auch aus Neviges, zwei Wochen später aus Langenberg, erst am 21. Mai 1925 aus Velbert. Das Rheinland blieb aber entmilitarisierte Zone. Hier war bereits 1921 die Bildung paramilitärischer Vereinigungen untersagt worden, Wehrverbände wie der Stahlhelm durften, wenn überhaupt, nur vorsichtig und vor allem nicht allzu militärisch auftreten.

Das Manöver

Im Jahr 1926 stellte die Reichswehr unter Führung von Generaloberst Wilhelm Heye reichsweit die Ausbildung von Mitgliedern der Soldatenverbände wie dem „Stahlhelm“ ein, nachdem die Westmächte eine Verletzung des Vertrags von Versailles monierten – der Unmut im Verband war groß. Nachdem im Frühjahr 1928 Ortsgruppen des „Stahlhelm“ mit eigenen paramilitärischen Wehrsportübungen begonnen hatten, plante Heinrich Mahnken, Führer des Stahlhelm-Landesverbandes Rheinland, für den 21. und 22. September 1929 eine große Feldübung in und um Langenberg, obwohl die Reichswehr jegliche militärische Aktivität im Rheinland verboten hatte. Ohnehin vertrat Mahnken die Ansicht, das Rheinland bedürfe einer Art Grenzschutz durch den „Stahlhelm“. Dieser solle die Lücke schließen, die die Reichswehr nicht fülle.

Etwa 3000 Mitglieder sollten in dem als „Geländespiel“ titulierten Manöver den Schutz des Rheinlandsenders trainieren. Die Morgen-Zeitung rekapitulierte am 23. September mit einer Spur Sarkasmus die Übung, die skurrile Züge aufwies: „Schüsse wurden durch laute Pfiffe dargestellt, Maschinengewehrfeuer durch Trommelwirbel, Böller simulierten die Artillerie“, erklärte Lohbeck. Zudem attackierte eine Gruppe wohl aus Unkenntnis der Lage den Generalstab, der unter der Leitung von Major a.D. Wilhelm Heider seinen Gefechtsstand nahe Gut Pollen aufgeschlagen hatte, so dass die Übung unterbrochen werden musste. Den Abschluss bildete eine Parade an der „Reitbahn“. Die Teilnehmer kehrten dann in örtlichen Gaststätten ein, wo sie mit Hassgesängen auf die Republik auffielen. Teilnehmer an Übung, Parade und Schmähliedern war auch August Wilhelm von Preußen, Sohn des abgetretenen Kaisers Wilhelm II. und engagierter Stahlhelmer. Empört über das Treiben erstatteten einige Gäste Anzeige.

Die politischen Folgen

Dem Manöver folgte große Entrüstung in politischen wie militärischen Kreisen sowie im benachbarten Ausland, vor allem in Frankreich: „Der Stahlhelm spielt Krieg!“, so titelte die Vossische Zeitung in Berlin, „Nationalistische Demonstrationen in Deutschland“ die Zeitung La Croix (Paris), die die Anwesenheit des Kaisersohnes hervorhob. Am 8. Oktober 1929 verfügte der preußische Innenminister Albert Grzesinski die Auflösung der Stahlhelmverbände in Rheinland und Westfalen. Dieses „Langenberg-Verbot“ entfachte den Widerstand der Rechten, die von „Gewaltakt“, „roter Diktatur“ und Verfassungsbruch sprachen. Politisch hochexplosiv wurde die Affäre, als Reichspräsident und „Stahlhelm“-Ehrenmitglied Paul von Hindenburg von Franz Seldte und Theodor Duesterberg, Gründer und Führer des Verbandes, gebeten wurde, das Verbot zu prüfen. Während das Innenministerium die Übung als ganz klar gesetzwidrig wertete und dem Initiator Mahnken vorwarf, unter dem Deckmantel des Wehrsports militärische Verbände zu schaffen, bezeichnete die Reichswehr die Übung als „lächerliche und wertlose Spielerei“ und Mahnken als „Wichtigtuer“. Allerdings seien Versuche der Wehrverbände, sich die Rolle eines Staatsschutzes anzumaßen, strikt abzulehnen. „Letztendlich konnte sich das Kabinett der Reichsregierung aber nicht weiter über das Verbot einigen. Danach soll die Koalition von SPD und Mittelparteien begonnen haben zu bröckeln“, so Lohbeck.

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