Corona sorgt für Ebbe im Kühlschrank Tafel bereit für den Neustart

Ratingen. · Corona hat vielen Menschen über Nacht ein Loch in die Kasse gerissen und damit einen leeren Kühlschrank beschert. Das macht sich auch bei der Ratinger Tafel bemerkbar. Die Zahl der Hilfesuchenden steigt.

 Corona beschert dem Tafel-Team rund um Ingrid Bauer (r.) eine Menge Arbeit. Sie packen Tüten für ihre Kunden. Ein freier „Einkauf“ ist nicht mehr möglich.

Corona beschert dem Tafel-Team rund um Ingrid Bauer (r.) eine Menge Arbeit. Sie packen Tüten für ihre Kunden. Ein freier „Einkauf“ ist nicht mehr möglich.

Foto: Achim Blazy (abz)

Mehrere Dutzend Menschen stehen geduldig in der Turmstraße, jeder ausgerüstet mit Mundschutz hinter einer blauen Linie, die den Abstand zum Vordermann markiert. Hinter den Türen herrscht rege Betriebsamkeit. Die Mitarbeiter der Tafel packen in Windeseile Tüten für ihre Kunden. Bevor sich die Türen öffnen, muss alles fertig sein.

„Nur noch ein Besucher darf sich in jedem Raum aufhalten“, erklärt die Vorsitzende Ingrid Bauer. Via Einbahnstraßensystem werden die Kunden durch den Laden geschleust. Seit dem 7. Mai hat der Tafelladen wieder geöffnet. Zuvor lieferten die Mitarbeiter mehrere Wochen lang persönlich die Lebensmittel bis an die Haustür. Eine logistische Herausforderung, aber: „Wir schauen immer, dass niemand hungern muss“, so Ingrid Bauer.

Corona hat viel verändert. Viele neue Gesichter mischen sich unter die Wartenden. Um die Wartezeiten der Besucher im Rahmen und die Abstandsregeln einzuhalten, hat sich das Team neu organisiert. „Die Ausgabe der Lebensmittel erfolgt gestaffelt nach Mitgliedsnummern“, erklärt Bauer. Rund 500 Menschen umfasst die Kartei aktuell; darunter alle Altersklassen, Familien, Alleinstehende, Senioren. Sie alle kommen regelmäßig: „Manche – vor allem Familien – kommen wöchentlich. Für viele Alleinstehende reicht es, wenn sie alle 14 Tage vorbeischauen. Einige besuchen uns nur kurz vor Monatsende, wenn das Geld besonders knapp ist.“

Frei „einkaufen“ dürfen die Kunden derzeit nicht. Sie bekommen eine Auswahl an Lebensmitteln. Niemand soll leer ausgehen. Jeder Besucher geht mit mindestens zwei Tüten nach Hause. „Eine beinhaltet Nudeln, Brot und Milchprodukte wie Joghurt und Käse – also einen Grundstock für den Vorratsschrank“, beschreibt Ingrid Bauer den Inhalt der Tüten. Der zweite Beutel wird mit Obst und Gemüse bestückt. Eine bunte Mischung, darunter auch Exoten wie frische Ananas oder Granatäpfel – vor allem aber Saisonware – werden von den Mitarbeitern gepackt.

Corona hat Menschen für Umgang mit Lebensmitteln sensibilisiert

Wenn es Zeit und Vorrat zulassen, erfüllt das Team auch individuelle Wünsche. Kritik am Inhalt der Tüten gibt es selten. Zur Not kann getauscht werden. Ein paar Süßigkeiten sind immer im Regal, Hygieneartikel oder eine kleine Überraschung für die Kinder der Familien vervollständigen den Einkauf. Versorgungsnöte hat die Ratinger Tafel derzeit nicht: „Ich würde fast schon sagen, wir haben mehr Ware als vor Corona“, vermutet Ingrid Bauer. Die Krise hat Bürger und Versorger sensibler gemacht für die Not ihrer Mitmenschen. Es kann jeden treffen – von heute auf morgen.

Das gilt auch für die Helfer. Rund 140 Ratinger helfen bei der Organisation. Sie holen mit zwei Fahrzeugen die Ware ab, sortieren, lagern ein, verpacken. Karin Schubert ist ein alter Hase. Sie ist seit zwölf Jahren Mitglied des Tafelteams und bis heute mit ganzem Herzen dabei: „Wir haben ein tolles Team. Ich liebe den Kontakt zu den Menschen.“ „Seit Corona unterstützen uns auch viele junge Leute“, freut sich Ingrid Bauer über die helfenden Hände.

Lea und Tim Scheid kamen gleich im Doppelpack. „Ich studiere Design und habe gerade ein Online-Semester“, so die junge Ratingerin. „Ich verbringe viel Zeit am Schreibtisch. Die Arbeit hier ist ein schöner Ausgleich. Der Austausch mit den Menschen gibt mir viel.“ Bruder Tim überbrückt die Phase zwischen Schulabschluss und Studium. „Ich möchte einen Sozialberuf erlernen. Hier kann ich mich darauf vorbereiten.“ Was das Geschwisterpaar besonders beeindruckt ist „zu sehen, wie viel Lebensmittel auf dem Müll landen würde, wenn wir es nicht weiterverteilen würden“. Eine Sorge hat Ingrid Bauer am Ende aber doch: „Ich wünsche mir, dass die Menschen, die in Not geraten, den Mut haben, zu uns zu kommen.“ Eine Anmeldung ist mittwochs und samstags ab 17.45 Uhr möglich.

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