Bonpflicht Der "Müllwahnsinn" mit den Kassenzetteln

Krefeld · Krefelds Bäcker-Obermeister Rudolf Weißert übt scharfe Kritik. Er hätte großen Spaß daran, das ganze Papier nach Berlin zu bringen.

 Die Geschwister Christian und Christina Weißert überlegen, mit ihrem Vater Rudolf Weißert, dem Obermeister der Bäckerinnung, die Bons nach Berlin ins zuständige Ministerium zu bringen.

Die Geschwister Christian und Christina Weißert überlegen, mit ihrem Vater Rudolf Weißert, dem Obermeister der Bäckerinnung, die Bons nach Berlin ins zuständige Ministerium zu bringen.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Rudolf Weißert nimmt das Ganze schon mit einer großen Portion Humor: „Wenn wir die Erde mit dem Papier umrundet haben, sage ich Bescheid“, scherzt der Obermeister der niederrheinischen Bäcker-Innung für Krefeld, Viersen und Neuss. Die Aufregung ist groß im Handwerk, seit das Bundesfinanzministerium die Belegausgabepflicht beschlossen hat. Seit dem 1. Januar müssen die Händler Kassenzettel ausdrucken, aushändigen und aufbewahren, ob der Kunde das will oder nicht. Das bedeutet: Papier, Papier, Papier, das anfällt und die Verkäufer lagern müssen für das Finanzamt, um alle Geschäfte belegen zu können. Von einem verkauften Brötchen bis hin zu Sammelbestellungen. Die Rheinische Brotkönigin und Bäckerin Carolin Puppe stellte in den vergangenen Tagen ein Bild ins Netz, wie sie in dem entstandenen Papier badet. Sie sitzt inmitten tausender Zettel und kann es einfach nicht fassen. Zwei Wochen ist das neue Jahr alt und der Unmut der Beteiligten über die Veränderung groß.

So viel Papierrollen in Tagen
wie sonst in Monaten

Die „Deutsche Handwerks-Zeitung“ zitiert den Zentralverband des Deutschen Bäckerverbandes. Die Bonpflicht sei ein „Müllwahnsinn“. Viele abgelehnte Befreiungsanträge lägen vor. Die Bundesregierung sieht den Schritt dagegen als Vorbeugung gegen Steuerbetrug. Alles soll nachgehalten werden.

Doch Rudolf Weißert sagt: „Das macht überhaupt keinen Sinn.“ Das Ministerium in Berlin schreibt auf seiner Seite von einem „Kassengesetz für mehr Steuergerechtigkeit. (…) Die Belegausgabepflicht dient der verstärkten Transparenz im Kampf gegen Steuerbetrug.“ Anhand eines Abgleichs des Bons mit den Aufzeichnungen der Kassensoftware könne so eine Manipulation der Kasse festgestellt werden. Digitale Pfuscherei soll verhindert werden.

Bis 2018 führte Weißert mit seinem Bruder die zwei Bäckereien in Krefeld. Dann ging er in Pension. Seine Kinder Christina, eine Bürokauffrau, und Christian, ein Bäckermeister, sowie der Cousin Thomas, ein Bäcker- und Konditormeister, leiten nun die Geschäfte. Der Stammsitz ist an der Hückelsmaystraße in Forstwald. Auch an der Inrather Straße wird verkauft.

Kürzlich geriet Tochter Christina mit einem Kunden schon in einen Streit. Er müsse den Kassenbeleg mitnehmen und selbst wegwerfen. Der jedoch lehnte ab. Im Keller an der Hückelsmaystraße wird nun gelagert. Kein Brot, keine Lebensmittel, sondern die Papierrollen. „Wir haben uns im April ein neues Kassensystem angeschafft. In den Monaten bis zum Jahresende haben wir sieben Rollen gebraucht, jetzt ist es am Tag eine. Es ist schon traurig. Das sind hohe Kosten“, sagt Rudolf Weißert. Eine Rolle aus Belegen sei etwa 500 Meter lang. Es ist leicht auszurechnen, wie viele Kilometer Papier da in einem Jahr zusammenkommen, das nicht weiter verwendet werden kann. „Das ist Sondermüll, den man da sammelt. Betriebswirtschaftlich ist das eine Katastrophe“, findet Weißert.

Für den Obermeister leben die „Entscheider in anderer Sphäre“

Bisher konnten Steuerbeamte alle Buchungen aus seiner Kasse auslesen. Nun reicht das nicht mehr. Den Obermeister der Innung stört vor allem der Generalverdacht, den diese Maßnahme des Bundesfinanzministeriums ausgelöst hat. „Damit werden alle Handeltreibenden in die Nähe von Steuerhinterziehern gesetzt. Was ist mit der Unschuldsvermutung?“ Kleinunternehmer müssten ihre Unschuld nachweisen, beweisen, dass sie keine Verbrecher sind. Das sei die falsche Richtung.

Eine konzertierte, medienwirksame Aktion will die Innung um Weißert vorerst nicht starten, auch wenn er sagt: „Die Entscheider leben in einer anderen Sphäre.“ Die Vorstellung, die Rollen irgendwann im Lkw nach Berlin zu fahren und vor dem Ministerium abzuladen, macht Weißert zumindest Spaß.

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