Guter Zweck Wie das Flaschenpfand immer öfter zur Spende wird

Düsseldorf · Per App lässt sich jetzt in Düsseldorf Leergut an einen Flaschensammler weitergeben. Auch in Supermärkten und am Flughafen sind Pfand-Spenden möglich. Wohltätige Organisationen und Sammler profitieren davon.

 Die Pfandbeauftragten am Flughafen, die die gespendeten Flaschen einsammeln.

Die Pfandbeauftragten am Flughafen, die die gespendeten Flaschen einsammeln.

Foto: Flughafen Düsseldorf/WWW.FOTOGRAFIE-WIESE.DE

Eine Pfandflasche im Mülleimer neben einem Leergutautomaten war der Auslöser. Jörg (der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will) griff zu. Vor einigen Jahren war das, seitdem ist der 52-jährige Düsseldorfer Pfandsammler. „Es ist eine Art Arbeitsersatz für mich“, sagt der Hartz-IV-Empfänger.

So sei er beschäftigt und bekomme zudem noch eine kleine Belohnung. Auch wenn sich die „harte, körperliche Arbeit“ kaum lohne. Ein Euro bis 1,50 Euro springe bei seinen Touren im Schnitt pro Stunde heraus. Früher sei er fast täglich unterwegs gewesen, sogar zwölf Stunden am Stück, um am Abend das gesteckte Ziel von 20 Euro im Portemonnaie zu haben. Heute fahre er nicht mehr so oft mit seinem Fahrrad los, da er mittlerweile einen Mini-Job habe.

Und noch etwas erleichtert ihm etwas die Arbeit: die Internet-Plattform „pfandgeben.de“, die Berliner Studenten entwickelt haben. Zusammen mit Studenten in Hannover ist das Angebot zu einer App weiterentwickelt worden. Seit Kurzem lässt sie sich nun in Düsseldorf herunterladen.

Wer seine Pfandflaschen spenden möchte, kann auf der Internetseite sowie in der App seinen Standort eingeben, ihm wird in Düsseldorf einer von 33 registrierten Pfandnehmern vorgeschlagen, den er telefonisch oder per SMS kontaktieren kann, um einen Treffpunkt zu vereinbaren. In der App wird dieser Prozess automatisiert.

Spender können Ort, Zeit und Menge einstellen. Pfandnehmer sehen alle Angebote in ihrer Nähe und können diese annehmen, um die Flaschen abzuholen. „Dadurch sollen die Pfandspenden vereinfacht und mögliche Hemmschwellen abgebaut werden. Vielleicht spenden jetzt Menschen, die den telefonischen Kontakt scheuen“, sagt Leonard Zucht vom Projekt Pfandschaf(f)t und der Enactus Leibniz Universität Hannover.

Jörg weiß nur Gutes über die Plattform zu sagen. Allzu oft werde er zwar nicht über diesen Weg kontaktiert, aber immerhin. „Es hat sich für mich auf jeden Fall gelohnt, ich möchte die Plattform nicht mehr missen“, sagt er, nachdem unsere Redaktion ihn durch Zufall aus den registrierten Pfandsammlern in Düsseldorf ausgewählt und angerufen hat. Vor allem habe er so eine Firma kennengelernt, bei der er regelmäßig Pfandflaschen abholen könne. Er erinnert sich zudem an den Anruf der Tochter einer älteren Frau, bei der sich Leergut auf dem Balkon türmte. „Etwa hundert Euro waren das“, sagt Jörg. Er sei allerdings auch schon für ein paar wenige Flaschen gerufen worden.

Das Bewusstsein für Pfandsammler in der Gesellschaft ist gewachsen. Ein Beleg dafür sind Pfandringe, die seit zweieinhalb Jahren in Düsseldorf an öffentlichen Mülleimern hängen. Jörg bestätigt allerdings den Eindruck der Stadt, dass kaum Flaschen in den rund 30 Ringen abgestellt werden. Jedoch stellt Jörg immerhin fest, dass viele Flaschen mittlerweile bewusst neben den Mülleimer gestellt würden. „Das freut mich natürlich.“ Grundsätzlich schaue er zwar in die Mülltonnen, ob er eine Flasche entdecken kann, durchwühle sie aber nicht. Und er sei immer auf der Hut, dass ihn niemand dabei sieht, den er kennt.

Auch auf andere Art und Weise lässt sich mittlerweile leicht Pfand für gute Zwecke spenden. Vor allem direkt an Leergutautomaten in Supermärkten finden sich Sammelboxen, mit denen wie bei Rewe am Fürstenplatz Organisationen wie das Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland unterstützt werden. Insgesamt sind es rund 45 Boxen, die im Rahmen des Projekts „Pfandtastisch helfen!“ für das Regenbogenland in Filialen der Supermarkt-Kette in Düsseldorf und Umgebung aushängen. Rund 80 000 Euro kommen im Jahr laut Regenbogenland-Geschäftsführer Norbert Hüsson zusammen. Ein schönes Sümmchen, auch wenn das benötigte Spendenaufkommen jährlich bei 1,6 Millionen Euro liegt, und die Organisation zur Hälfte mit Spenden finanziert werden muss. Etwa 3500 Euro Gebühren fließen übrigens zurück an die Projektorganisatoren „Sozialhelden“.

Auch in Supermärkten von Zurheide können die Pfandbons gespendet werden, an der Berliner Allee seit zwei Monaten, an der Nürnberger Straße seit drei Jahren. Das Geld fließt hier an den Kinderschutzbund Düsseldorf. Kamen im Jahr 2016 1000 Euro zusammen, waren es laut Kinderschutzbund im vergangenen Jahr bereits rund 1400 Euro.

Auf neuen Wegen geht seit Dezember auch der Flughafen mit dem gewaltigen Aufkommen von Pfandflaschen um. Im Terminal stehen zehn Pfandflaschenboxen, in die nicht mehr benötigte Mehrwegflaschen geworfen werden können.

Hintergrund ist eine Aktion des Flughafens mit der Jugendberufshilfe Düsseldorf (JBH): „Ihr Pfand in guter Hand“. Die gemeinnützige GmbH hilft jungen Menschen, die den Weg von der Schule ins Berufsleben aus eigener Kraft nicht schaffen.

Für vier von ihnen sind nun am Flughafen Vollzeitstellen entstanden, die mit dem Pfanderlös finanziert werden. Flughafensprecher Christian Hinkel erklärt: „Die Pfandbeauftragten drehen mehrmals am Tag ihre Runden durch den öffentlichen Teil des Terminalgebäudes und tauschen die gefüllten Flaschenboxen gegen leere aus.“

Auf dem Recyclinghof des Flughafens werden die Flaschen dann sortiert und die Pfandboxen gesäubert. 105 000 Pfandflaschen konnten seit Beginn des Jahres so gespendet werden. Hinzu kamen in diesem Zeitraum noch einmal 70 000 Pfandflaschen, die im Sicherheitsbereich anfielen.

Das gesamte Leergut wird dann nach Essen in ein sogenanntes Zählzentrum gebracht, der Düsseldorfer Airport bekommt dafür eine Gutschrift.

Nebeneffekt: Der Flughafen registriert weniger Flaschensammler, zwischen denen zum Teil sogar schon ein Konkurrenzkampf am Ort des höchsten Pfandaufkommens in Düsseldorf ausgebrochen war. Passagiere hatten sich zum Teil belästigt gefühlt.

Hinkel über Flaschensammler: „Es ist ein gesellschaftliches Problem. Solange sich im Terminal keine Gäste belästigt fühlen oder Abläufe gestört werden, müssen wir auch nicht im Interesse unserer Kunden aktiv werden und Platzverweise erteilen. Wir möchten dabei konsequent sein, aber auch menschlich.“

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