Karneval: Knubbel-Wochenende der Turbosession

Narrenstress: Party jagt Party, die Jecken haben freie Auswahl: Düsseldorf arbeitete zwei Tage lang fleißig an seinem Sitzfleisch.

Düsseldorf. Bislang blieb der befürchtete Besuchereinbruch wegen der Turbosession aus. Am Samstag fanden aber so viele Sitzungen parallel statt, dass doch viele Plätze leer blieben. Besonders schlimm erwischte es die Funken-Artillerie Rot-Wiss. Mit rund 400 Narren war der große Saal der Rheinterrasse nur halbvoll. Dass die Stimmung im Saal trotzdem prima war, lag nicht zuletzt an den Gästen aus einer bislang völlig verkannten närrischen Hochburg. Bereits seit 1965 kommen die Narren der Stadtgarde Rot-Weiß Melle an den Rhein, diesmal mit einer 21-köpfigen Delegation. "Melle liegt bei Osnabrück, direkt hinter dem Deich", so Präsident Reinhold Martin, "bei uns fährt der Zug schon samstags, damit wir am Rosenmontag beim Zug in Münster dabei sein können. Unser Zug ist sechs Kilometer lang und die Leute stehen in Sechser-Reihen an der Straße, wie in Düsseldorf oder Köln."

Spiesratze: Prinzessin Miriam im Elferrat versteckt

Nebenan im kleinen Saal bei den Spiesratze war’s ganz anders. Die 350 Karten waren lange ausverkauft, und man hätte sogar vielen Narren abgesagt. Immerhin gab es dort gleich zwei Prinzenpaare zu sehen, das aktuelle und das von der vergangenen Session. Oberpolier Peter Weber hatte nämlich Ex-Venetia Miriam Battenstein in seinem Elferrat versteckt. Und die überraschte ihren Prinzen Udo Heinrich, der inzwischen Präsident der Prinzengarde Blau-Weiss ist. Als der in den Saal einzog, überreichte Miriam ihm persönlich den Blutwurst-Orden der Spiesratze. Gelebte närrische Harmonie, wie man sie zwischen den beiden nicht immer erlebte. Balsam war die Sitzung für drei Büttenredner, die in der Fernsehsitzung ihre Probleme hatten. Der bonte Pitter, Jürgen Hilger-Höltgen und Winfried Ketzer fanden bei den Spiesratze ein Publikum vor, das auch zuhörte.

Prinzengarde Rot-Weiss: Prinzenpaar ließ die Garde singen

Wer zur Sitzung der Prinzengarde Rot-Weiss geht, muss Sitzfleisch mitbringen. Denn die Marathon-Sitzung dauert rund sechs Stunden. Draculas Schloss hatte Präsident Peter König im Hilton zur "Nacht der Vampire" aufbauen lassen. Dementsprechend hatten sich die 800 Gäste als Geister und Dämonen in Schale geworfen. Da wurden auch Prinz Josef und Venetia Barbara nicht verschont und kurzerhand in blutleere Geschöpfe umdekoriert. Die beiden überraschten das Publikum. Statt selbst zu singen, überließen sie der Garde und der Prinzenbegleitung das Mikrofon und stürzten sich in die Polonaise. Das Lied vom Prinzenpaar gab es dann als Zugabe. Verliehen wurde bei der Sitzung auch der Orden von der dicke Zing. Den bekam Volker Wagner, der Präsident des Bundes Deutscher Karneval.

Prinzenauflauf bei der KG Regenbogen im Stahlwerk

Einmal Prinzessin sein, das ist der Traum vieler Mädchen. Bei der schwul-lesbischen Karnevalsgesellschaft KG Regenbogen ist das anders. Jede Menge Prinzen feierten bei der Karnevalsparty im Stahlwerk mit. Das Sitzungskonzept ist kein gewöhnliches. Denn die einzelnen Programmpunkte werden immer mal so eingestreut, zwischendurch konnten die 900 Narren sich nach Lust und Laune austoben. Zu später Stunde kam das SEK. Bei dem närrischen Sondereinsatzkommando handelt es sich um die Gesangsgruppe der KG Regenbogen, die Lieder des Vereins mit einer gekonnten Choreographie präsentiert. Mit den neuen Gruppen Röbedeucker und Narrenrock bekamen die Narren auch mal andere närrische Töne zu hören.

Lachende Philipshalle: Kölsche Stimmung und Nokia-Schelte

Ganz schön schief war so mancher Ton bei der Lachenden Philipshalle, der gemeinsamen Köln- Düsseldorfer Sitzung, zu der traditionell die Jecken selbst Verpflegung mitbringen. Das lag an der immer wieder spinnenden Technik, bei Brings vor allem daran, dass der Leadsänger mit Fieber im Bett geblieben war, und bei Bernd Stelter an der aktuellen Beißerei gen Bochum. Nach seinem flammenden Anti-Nokia-Plädoyer meinte er nur: "Das war jetzt zwar nicht lustig, musste aber mal gesagt werden!" Die Düsseldorfer Beiträge brachten vor allem eins: Déjà-vu. So oder so ähnlich tanzten oder sangen die Prinzengarde und Alt Schuss auch in der vergangenen Session.

Elf vom Niederrhein: Präsident lässt es langsam angehen

Gut Ding will Weile haben. Erst seit einem Jahr ist Detlev Preetz Präsident der KG Elf vom Niederrhein. Durch die Sitzung führen wollte er am Samstag im Kolpinghaus noch nicht. Das überließ er seinem Literaten Dieter Kippes mit den Worten: "Du hast das Programm zusammengestellt, dann stell es auch vor." Das hätte der Mann auch selbst machen können, denn die 300 Jecken im Saal waren begeistert, nachdem Achim und Olli als Eisbrecher für Stimmung gesorgt hatten. Allerdings plagen den 26 Mitglieder starken Verein Nachwuchssorgen. "Ein paar junge Leute könnten wir gut gebrauchen", meint Schriftführer Erich Balle, "das scheitert oft an der teuren Uniform, die rund 1500 Euro kostet."

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