Schule Lehrer in Düsseldorf wollen kleinere Klassen

Düsseldorf · Hohe Infektionszahlen, fehlende Abstände: Viele Schulen würden Klassen und Lerngruppen gerne verkleinern und einen Teil des Unterrichts digital anbieten. Doch das Land hat solchen Wechselmodellen eine Absage erteilt.

 Viele Schulen würden Klassen und Lerngruppen gerne verkleinern und einen Teil des Unterrichts digital anbieten.

Viele Schulen würden Klassen und Lerngruppen gerne verkleinern und einen Teil des Unterrichts digital anbieten.

Foto: dpa/Matthias Balk

Die weiterhin dynamische Entwicklung der Pandemie verschärft die Debatte um die Verkleinerung von Klassen und Lerngruppen. Größere Abstände in den Klassen würden den Infektionsschutz verbessern und so den Schülern mehr Pausen beim Maskentragen ermöglichen, argumentieren zahlreiche Lehrer und Schüler. Konzepte für eine Kombination von Präsenzunterricht und dem Lernen auf Distanz liegen an vielen Standorten bereits in der Schublade. Doch dort werden sie erst einmal auch bleiben. Die Landespolitik tritt bei diesem Thema auf die Bremse. Bedenken gibt es aber auch bei Elterninitiativen. Dort fürchtet man, zum zweiten Mal in diesem Jahr die Betreuung der Kinder neben der Arbeit übernehmen zu müssen. Die wichtigsten Fakten im Überblick.

Was spricht für
gemischte Modelle?

Über gute Gründe für hybride Modelle, bei denen Präsenz- und Distanzzeiten miteinander kombiniert werden, muss Angelika Pick, Leiterin des Lore-Lorentz-Berufskollegs in Eller, nicht lange nachdenken. Am Montag hatten ihr drei weitere Schüler eine Ansteckung mit dem Coronavirus gemeldet. „Die Fälle nehmen zu, nicht nur an unserer Schule. Deshalb wäre es gut, zur Verbesserung des Infektionsschutzes die Lerngruppen zu verkleinern“, sagt die erfahrene Pädagogin. Die Konzepte für ein Lernen zu Hause und in der Schule liegen in ihrer Schublade. Inzwischen verfügten alle über einen schulischen Mail-Zugang und könnten mit der Software von MS Office Teams umgehen: „Im ersten Lockdown haben wir die Abläufe eingeübt, heute sind wir viele Schritte weiter, wir würden das hinkriegen.“ Nicht nur technisch, auch mit Blick auf die Lerninhalte hält sie das Wechselmodell für machbar. In der einen Woche würden in der Schule neue Inhalte erklärt, in der Folgewoche könnten Schüler dann zu Hause den Stoff üben, anwenden und vertiefen. „Dazu gibt es Hilfen per Videoschalte und natürlich Lernkontrollen.“

Ganz ähnlich schätzt das Kristina Mandalka, Leiterin der Georg-Schulhoff-Realschule, ein. Bis zu 32 Kinder sitzen bei ihr in einer Klasse. Hinzu kommt der Schulweg, auf dem viele ihrer Schützlinge in volle Busse und Bahnen steigen. „Wenn wir es dürften, würden wir es machen und die Klassen halbieren“, sagt sie über das Wechselmodell. Diese Einschätzung dominiere auch im Kollegium: „Den meisten wäre mit Blick auf Corona sehr viel weniger mulmig zumute, wenn wir die Lerngruppen vor Ort kleiner machen könnten.“

Warum werden die
Konzepte nicht umgesetzt?

Weil das Land nach einem Präzedenzfall in Solingen klar gemacht hat, dass es kommunale Wechselmodelle nicht wünscht. Angesichts einer hohen Sieben-Tage-Inzidenz hatte die Stadt im Bergischen geplant, an weiterführenden Schulen mit Ausnahme der Abschlussklassen wechselweise Präsenz- und Digitalunterricht zu erteilen. Unter anderem empfiehlt das Robert-Koch-Institut, bereits ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 die Klassen zu teilen. Wie in Düsseldorf hatte in Solingen dieser Wert, der die Zahl der Infizierten auf 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen angibt, mehrfach die Schwelle von 200 überschritten. Dagegen erklärte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer, eine pauschale Reduzierung des Präsenzunterrichts führe zu sozialer Benachteiligung vor allem jener, die im häuslichen Umfeld weniger Unterstützung erhalten. Außerdem wäre das Ganze erneut mit großen Herausforderungen für die Eltern verbunden.

Was sagt die Stadt als Schulträger zu den neuen Vorgaben?

„Ich bedauere die Absage an die Wechselmodelle sehr und verstehe nicht, warum trotz der enormen Fortschritte seit dem Frühjahr plötzlich keine Anwendung mehr erwünscht ist“, sagt Schuldezernent Burkhard Hintzsche. Schließlich gehe es ja nicht darum, den Präsenzunterricht zu ersetzen, sondern um eine in die Zukunft weisende Ergänzung. Viel Geld und Know-how sei in die Weiterentwicklung des digitalen Lernens geflossen: „Im März hat man uns vorgeworfen, in Sachen Digitalisierung an den Schulen nicht weit genug zu sein. Und jetzt, wo wir gerade hier in Düsseldorf zum Vorreiter geworden sind, sollen wir es nicht umsetzen – andere Bundesländer sind da weiter.“

Was würden Eltern zum Wechselmodell sagen?

Die Meinungen darüber, ob und ab welchem Alter digitaler Unterricht ein gleichwertiges Angebot darstellen kann, gehen weit auseinander. Nicht zuletzt hängt die Einschätzung davon ab, wie professionell die jeweilige Schule das Thema umsetzt. Allerdings wollen die wenigsten Eltern die Erfahrungen aus dem ersten Lockdown, als sie sich zwischen Home Office und Home Schooling aufgerieben fühlten, jetzt noch einmal machen. „

Ich und viele meiner Mitstreiter würden es nicht mehr wollen“, sagt beispielsweise Nele Flüchter von der Initiative „Familien in der Krise“. Käme es tatsächlich so, will sich die zweifache Mutter aus ihrem Job ausklinken – und das auch wenn sie dann mit etwa zwei Dritteln ihres Lohnes klar kommen müsste. „Der Gesetzgeber bietet das an und ich würde es machen.“

Wechselmodelle hält die Pädagogin, die an einem Kolleg junge Menschen betreut, nur in der Oberstufe für vertretbar. Mehr Abstand und die Chance auf längere Maskenpausen hält sie auch bei durchgängigem Präsenzunterricht mit weiterhin ungeteilten Klassen in der Schule für machbar. „Man kann Messehallen, zusätzliche Container und leerstehende Räume im Kultursektor nutzen, um die Schüler einer Klasse weiter auseinanderzusetzen“,
sagt sie.

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