Der Fall Achenbach - Das Ungereimte der Fotokunst

Der Fall zeigt, wie man streng limitierte Foto-Editionen trotz hoher Preise weiter ausdrucken kann, weil die Regeln fehlen.

Der Fall Achenbach - Das Ungereimte der Fotokunst
Foto: Caroline Seidel, dpa

Düsseldorf. Der Prozess gegen den Kunstberater Helge Achenbach wirft sein Licht auch auf den Kunsthandel mit Fotografien. Dem Vorsitzenden Richter Johannes Hidding in Essen waren Fotografien von Andreas Gursky mit demselben Motiv und derselben Editionsnummer an verschiedenen Orten aufgefallen. Verwechslungen gab es aber auch zwischen Ausstellungskopie und Original. Was ist da bloß los? Fotos könnte man im Gegensatz zur Druckgrafik massenhaft abziehen, ohne dass sie die Qualität verlieren. Aber die hohen Preise für ein Werk von Gursky oder Ruff oder Struth wären dahin. Die Edition ist doch das Versprechen, dass es nicht mehr als eine bestimmte Anzahl von Exemplaren gibt. Wird dieses Versprechen unterwandert?

Prinzipiell ist eine Ausstellungskopie in einem Museum nur für eine bestimmte Ausstellung gedacht. Sie ist und bleibt eine Kopie, obwohl im Museum normalerweise nur Originale hängen dürfen. Was geschieht mit dieser Kopie nach der Ausstellung? Einhellige Meinung der Museumsleute, freilich ohne Namensnennung: Selbstverständlich könne ein Künstler Ausstellungsexemplare machen, er müsse sie nur kennzeichnen. Und er dürfe sie nicht verkaufen.

Florian Ebner vom Folkwang-Museum: „Eigentlich muss der Ausstellungsabzug vernichtet werden. Oder er wird als Solches klassifiziert und in Ausstellungen so lange gezeigt, bis er kaputt ist. Aber er müsste danach zerstört werden. Sonst ist es, wenn er bestehen bleibt, ein Betrug an denen, die eine Edition des Künstlers kaufen.“

Angesichts hoher Preise überspringen Fotokünstler gern die eng bemessenen Grenzen einer Edition und schaffen eine neue mit demselben Motiv. Hier steht Andreas Gursky nicht allein, der das kleinformatige Motiv der Universität Bochum später groß abgezogen hat.

Geschieht die „neue“ Edition, weil die alte auszubleichen droht? Markus Hoffmann, Geschäftsführer des Fotolabors Grieger und Ansprechpartner für die Stars der Fotoszene, winkt sofort ab: „Wir sind ein Handwerksbetrieb. Was die Künstler bei uns bestellen, wird haarklein dokumentiert. Es hat keiner ein Interesse, dass eine Auflage verwässert wird. Es gibt kein doppeltes Bild einer Edition. Wie der Umgang mit Duplikaten vor sich geht, ist nicht unsere Aufgabe. Wenn es der Urheber bestellt, ist es sein gutes Recht.“

Mehr Transparenz wäre dennoch hilfreich, meint Anke Schierholz, zuständig für die Fotografie bei der Verwertungsgesellschaft Bildkunst. Die SK-Stiftung in Köln, die eine gigantische Fotosammlung besitzt, pflegt bei Neuabzügen des Dokumentarfotografen August Sander das Aufnahmedatum und das des Abzugs zu notieren.

Museumsfachleute machen auf ein Fehlverhalten auf dem Kunstmarkt aufmerksam: „Die alten analogen Abzüge Gurskys sind eigentlich höher zu bewerten als die jüngeren Inkjets. Nur ist ein großes Format im Vergleich zum kleinen das prächtigere. Prächtigere Fotos sind beliebt, also auch teurer.“

Im Folkwang-Museum tauschte man eine kleine „Universität Bochum“ von Gursky gegen eine große. Florian Ebner: „War das richtig? Die kleine, alte Edition wird vermutlich am Ende mehr wert sein als die große. Nur muss man aufpassen, dass sie nicht ausbleicht.“ Soll das heißen, dass ein frühes Foto von Gursky qualitativ schlechter ist als der Inkjet-Ausdruck? Grieger-Chef Hoffmann sagt: „Das Inkjet-Verfahren hält heute 70 bis 100 Jahre. Aber diese Zahlen sind hochgerechnet. Ich kenne Bilder aus den 1980er Jahren, die sehen topfit aus, weil sie richtig gelagert wurden.“

Ein Liebhaber der Fotokunst sollte dennoch vorsichtig sein. Hierzu Anke Schierholz: „Fotos bleichen natürlich enorm aus, wenn sie dem Licht ausgesetzt sind. Deshalb gibt es die Ausstellungskopien.“

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