Interview Bodo Löttgen: Altschuldenfonds steht auf der Agenda dieser Legislaturperiode

WUPPERTAL. · INTERVIEW CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen über die Corona-Politik, verschuldete Kommunen und das Bündnis mit den Grünen in Wuppertal

 Bodo Löttgen, Vorsitzender der CDU-Fraktion, bei einer Rede im Landtag.

Bodo Löttgen, Vorsitzender der CDU-Fraktion, bei einer Rede im Landtag.

Foto: Christophe Gateau/dpa/Christophe Gateau

Die Kommunalwahl im September hat den Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Landtag, Bodo Löttgen (61), jetzt nach Wuppertal geführt. Dort arbeitet seine Partei in einem Bündnis mit den Grünen und will dem Grünen Uwe Schneidewind ins Oberbürgermeisteramt verhelfen. Umso erstaunter waren Löttgens Parteifreunde, dass der starke Mann der NRW-CDU zuerst dem Kandidaten des Koalitionspartners im Landtag, Marcel Hafke, einen Wahlkampfbesuch abstattete. Im Gespräch mit Chefredakteur Lothar Leuschen bezieht Löttgen dazu Stellung, äußerst sich zum Hilferuf der verschuldeten Kommunen im Land und erläutert die Corona-Politik der Landesregierung.

Herr Löttgen, verstehen Sie, dass Ihre Parteifreunde von Ihrem Besuch beim Wuppertaler FDP-Oberbürgermeisterkandidaten irritiert sind?

Bodo Löttgen: Das mag zu Irritationen geführt haben. Ich kenne Marcel Hafke seit zehn Jahren, und er ist für seine Fachbereiche wichtiger Akteur unserer NRW-Koalition. Seine Einladung habe ich vor einem halben Jahr angenommen, um über unsere gemeinsame Arbeit in Düsseldorf zu berichten. Und Zusagen, die ich gebe, halte ich ein. Eine Einladung meiner Partei lag damals noch nicht vor.

Hat das Parteibuch eines Oberbürgermeisters Einfluss auf Ihre Zusammenarbeit mit dem kommunalen Amtsträger?

Löttgen: Das spielt überhaupt keine Rolle. Wir entscheiden nach dem, was wir als Land für das Beste für alle Kommunen halten. Da hat sich in den vergangenen Jahren viel Positives getan. Gerade jetzt sind wir dabei, die Auswirkungen durch Corona für die Kommunen so gering wie möglich zu halten.

Diese Neutralität haben Sie zuletzt sogar unter Beweis gestellt, als Sie dem Kämmerer der Stadt Wuppertal, Ihrem Parteifreund Johannes Slawig, in der Entschuldungsfrage notleidender Kommunen widersprachen. Nun geben die Kommunen aber keine Ruhe und haben eine Online-Petition gestartet. Die sind noch nicht zufrieden. Auch nicht mit Ihnen.

Löttgen: Es ist das Schicksal vieler Landespolitiker, dass man nicht mit allem zufrieden ist, was das Land macht. Aber NRW hat vor kurzem eine substanzielle Entlastung der Kommunen durch den Bund erreicht. Eine Milliarde Euro weniger müssen die NRW-Kommunen jedes Jahr für die Unterkunft von Hartz-IV-Empfängern zahlen. Das ist eingespartes Geld, das sofort für andere Dinge verwendet werden kann.

Brauchen wir nicht grundsätzlich eine Antwort auf die Frage, wie Kommunen ihre Einnahmesituation verbessern können?

Löttgen: Sie sprechen eines der wichtigsten Probleme an, die Gemeindesteuern als Haupteinnahmequelle. Der Stärkungspakt der Vorgängerregierung, an dem auch Wuppertal beteiligt war, war gleichzeitig auch ein Erhöhungspakt bei Grund- und Gewerbesteuer. Deswegen steht in unserem Koalitionsvertrag mit der FDP, dass wir uns der Frage der Gewerbesteuer wegen der damit verbundenen Chancengleichheit und Wettbewerbsfähigkeit noch einmal annehmen werden. Das ist keine triviale Frage, aber wir müssen sie beantworten.

Und der Altschuldenfonds?

Löttgen: Diese Frage bleibt bei uns auf der Tagesordnung. Wann und wie wir sie im Verlaufe dieser Legislaturperiode anpacken können, kann erst seriös eingeschätzt werden, wenn mit dem Ergebnis der Sonder-Steuerschätzung im September geklärt ist, wie sich die finanziellen Spielräume aller staatlichen Ebenen entwickeln werden.

Dafür ist aber nicht mehr viel Zeit.

Löttgen: Die Frage steht, wie gesagt, auf der Agenda dieser Legislaturperiode. Wer nun allerdings glaubt, dass nun irgendein weißer Ritter käme, der die Städte mit einem Schlag von all ihren Schulden erlöst, der liegt falsch. Deswegen ist es ja wichtig, den finanziellen Spielraum der Kommunen zu erweitern, unter anderem über die Einsparungen bei den Kosten der Unterkunft. Nun ist es an den Städten, diesen zusätzlichen Spielraum gewinnbringend zu nutzen. Auch wenn das manchem insgesamt noch zu wenig ist: Wir machen Politik für alle Kommunen, versuchen aber denen, denen es schlecht geht, besonders zu helfen.

Und dann auch noch Corona. Das Land hat gerade beschlossen, die Maskenpflicht in den Schulen zum 1. September aufzuheben, und im selben Augenblick meldeten mehrere große Schulen Infizierte. Haben Sie das im Blick? Oder hat das Land den Schwarzen Peter einfach an die kommunalen Gesundheitsämter und Schulen abgegeben?

Löttgen: Um in diesem Bild zu bleiben, verteilt die Pandemie den „Schwarzen Peter“ jeden Tag neu. Deshalb müssen wir lernen, mit Corona zu leben, bis ein Impfstoff gefunden wird. Weil diese Krise nicht noch stärker zulasten von Kindern und Bildung gehen darf, forcieren wir zur Zeit die Auslieferung von digitalen Endgeräten an Lehrerinnen und Lehrer sowie an Kinder, die sozial benachteiligt sind.

Was bedeutet das?

Löttgen: Seit Beginn der Krise handelt NRW nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Steigen die Infektionszahlen, müssen zum Schutz aller die Rechte Einzelner eingeschränkt werden. Sinken die Infektionszahlen, müssen diese Einschränkungen aber auch wieder aufgehoben werden! Der Grund, warum die Maskenpflicht im Unterricht jetzt wieder entfallen kann. Was wir in den vergangen sechs Monaten dazugelernt haben, muss jetzt genutzt werden, um bei einem Anstieg über 35 Infizierte pro 100 000 Einwohner regional begrenzte Maßnahmen zu veranlassen, die notwendigen Schutz gewährleisten und die Allgemeinheit dennoch möglichst wenig beeinträchtigen. Aber zu Quarantänemaßnahmen in Firmen, Schulen oder Klassen wird es immer wieder kommen.

Und das kann man im Grundsatz nicht bundesweit regeln?

Löttgen: Nein. Danke, dass Sie nachfragen. Denn wir können beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern mit einer Einwohnerdichte von 69 Einwohnern pro Quadratkilometer nicht mit Nordrhein-Westfalen verglichen, wo dieser Wert in Ballungsgebieten mehr als 1000 erreicht. Deshalb müssen wir achtsamer sein als andere und trotzdem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.

Wie sehr wünschen Sie Armin Laschet die Bundeskanzlerschaft?

Löttgen: Beim Parteitag im Dezember geht es um den CDU-Vorsitz, nicht um die Kanzlerkandidatur. Wir haben eine hervorragende Bundeskanzlerin, die uns sehr gut und gemeinschaftlich mit den Bundesländern durch diese Krise führt. Warum fragen Sie?

Weil Sie bei der FDP in Wuppertal sehr ministerpräsidial aufgetreten sind.

Löttgen: Finden Sie?

Sie nicht?

Löttgen: Nö. Ich bin aufgetreten wie immer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Drei Künstler widmen sich der Stille
Erste Gedok-Veranstaltung unter Corona-Bedingungen mit  Silvia Munzón López, Martin Petschan und Annette Rettich Drei Künstler widmen sich der Stille