Kreatives Denken will gelernt sein

In Tansania begegnet der Delegation des Kirchenkreises Leverkusen immer dasselbe Thema: Vor allem über Bildung soll die angestrebte Entwicklung möglich werden.

Lukajange/Tansania. Benson Bagonza ist nicht nur klug und schlagfertig, sondern auch ein Schlitzohr. Wenn der lutherische Bischof der Karagwe-Diözese Grundstücksprobleme bei der Planung einer kirchlichen Hochschule für Landwirtschaft, Umwelt, Erziehung und Informatik klären will, kommen ihm sieben Delegierte aus dem Kirchenkreis Leverkusen gerade recht. In der Gegenwart der deutschen Gäste gelingt es Bagonza charmant, den neuen Regierungspräsidenten der Region dazu zu bringen, die lokalen Behörden in der Sache ein wenig unter Zugzwang zu setzen.

Aber der Bischof hat bei seiner Gratwanderung zwischen politischen und kirchlichen Interessen auch ein festes Ziel vor Augen. "Investieren Sie in Bildung. Da ist Ihr Geld gut aufgehoben", sagt er den Besuchern. Denn beim Bestreben, vom Kindergarten über die Grund- und weiterführende Schule bis zur Universität ein durchgängiges Bildungsangebot zu unterhalten, geht es der Kirche nicht nur um die reine Wissensvermittlung. Bildung soll auch das Fundament für gesellschaftliche Veränderungen sein.

"In früheren Generationen mag es ein Zeichen der Höflichkeit gewesen sein, wenn Männer den Familien ihrer künftigen Frauen etwas gegeben haben", erzählt zum Beispiel Savera Bishanga, die Frauenbeauftragte der Diözese. "Aber heute führt das dazu, dass Familien ihre Töchter verkaufen." Doch daran etwas zu ändern, ist schwer in der tansanischen Gesellschaft, in der die möglichst widerspruchslose Orientierung am Vorbild der älteren Generation noch viel zählt. Eine gute und gleichberechtigte Schulbildung kann da schnell ein Gegenpol zum traditionellen Geschlechterverständnis werden.

Bischof Bagonza liefert ein zweites Beispiel. Studenten einer amerikanischen Hochschule hatten ein Projekt zur Wasseraufbereitung an zwei Secondary Schools in der Diözese gestartet, unter anderem an der Eliteeinrichtung der Kirche, der Karaseco-Schule in Kamagombe. Doch die Anlage funktionierte nicht. Die Studenten zogen wieder ab, ließen aber alle Pläne zurück. "Ich hatte gehofft, dass die Schule mit ihren Schülern jetzt selbst nach einer Lösung sucht, aber sie wartet nur auf die Rückkehr der Amerikaner", sagt Bagonza. "Uns fehlt die Kreativität."

Doch die lässt sich nicht verordnen, sondern muss von Kindesbeinen an geübt werden. An der Tegemeo-Grundschule in Lukajange kann man beobachten, wie neue Ansätze in diese Richtung ausprobiert werden. Zwar wirkt die kleine Schaustunde für deutsche Verhältnisse noch immer sehr lehrerzentriert, aber das sei früher viel extremer gewesen, erzählen die jungen Kollegen. Stattdessen werden die Schüler heute öfter aufgefordert, Fragestellungen zunächst in der Gruppe zu diskutieren und dann die Ergebnisse vorzustellen. Das selbstständige Denken wird gefördert, die Kinder sollen nicht länger nur möglichst genau das reproduzieren, was der Lehrer ihnen vorsetzt.

In der 1995 gegründeten kirchlichen Privatschule ist die langjährige Partnerschaft zwischen den Kirchenkreisen Leverkusen und Lukajange allgegenwärtig. Ein Schlafsaal des Internats trägt den Namen Leverkusen, im Lehrerzimmer hängen Fotos der Ernst-Moritz-Arndt-Grundschule in Hilgen, die ebenfalls enge Verbindungen zur Tegemeo-Schule pflegt. Die fünf Wassertanks und zahlreiche Gebäude sind mit finanzieller Unterstützung der deutschen Partner entstanden. Aktuell unterstützt der Kirchenkreis den Bau eines neuen Wohnhauses für zwei Lehrerfamilien mit 5000 Euro. Zusätzlich finanzieren Paten aus dem Kirchenkreis das Schulgeld für 53 der 276 Schüler.

Die Tegemeo-Schule genießt in der Region einen so guten Ruf, dass die Kinder auch von weit her hierhin geschickt werden. Aber die Kirche hat in Lukajange nicht nur die Bildungselite im Blick. Ein paar hundert Meter entfernt erhalten Waisen und Kinder aus sehr armen Familien, die kein Geld für die Secondary School haben, an der LOVTC-Berufsschule eine zweijährige Ausbildung. Die derzeit 22 Mädchen lernen das Schneiderhandwerk, die drei Jungen werden zu Schreinern ausgebildet.

Den Weg zur Hochschule werden diese Kinder nicht finden. Doch die geplante Universität ist für den Bischof mehr als ein Prestigeobjekt. "Wir brauchen einen Mittelbau", sagt er. Im fernen Dar Es Salam säßen hochqualifizierte Ingenieure und warteten auf das große Geld. In die entlegene Kagera-Region, eingekeilt zwischen Ruanda, Uganda und dem Victoriasee, verirre sich kaum einer von ihnen. Die Hochschule soll die dringend benötigte akademische Mittelschicht anziehen. Um diesem Ziel näher zu kommen, kann auf dem schwierigen politischen Parkett auch schon mal eine deutsche Delegation nützlich sein.

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