Interview „Ich fühle mich reich beschenkt“

Am Montag wird der Achim Reichel 75. Im November kommt der Musiker mit seinem neuen Best-of-Album „Das Beste“ auf Tour nach Köln und Düsseldorf.

 Im November kommt Achim Reichel mit seinem Best-of-Album zu Konzerten nach Köln und Düsseldorf.

Im November kommt Achim Reichel mit seinem Best-of-Album zu Konzerten nach Köln und Düsseldorf.

Foto: Eppinger

Was fühlen Sie, wenn Sie auf 75 Jahre Karriere zurückblicken?

Achim Reichel: Ich fühle mich reich beschenkt, auch weil ich weiß, dass so etwas nicht jedem gelingt – vor allem, wenn man so oft das Genre gewechselt hat, wie ich. Ich habe als Beat-Musiker im Star-Club begonnen, war psychedelisch unterwegs, habe mich mit dem Shanty-Repertoir auseinandergesetzt, mich mit Volksliedern und Balladen beschäftigt, und dann auch noch Gold für Pop bekommen. Durch diesen Zickzackkurs ist meine Arbeit immer interessant geblieben.

Sie haben in Ihrer Anfangszeit in den 60ern die Beatles kennengelernt.

Reichel: Das war 1963 eine Band von vielen, die in den Clubs auf dem Kiez von St. Pauli gespielt haben. Das waren eigentlich ganz schüchterne und höfliche Jungs. Nur John Lennon hatte einen sehr bissigen, englischen Humor. Da wusste man nie, ob der einen für blöd verkauft oder ob das seine Auffassung von Witz war.

1966 ging es auf Tour mit den Beatles.

Reichel: Da hatte sich viel geändert und es gab ein Protokoll, das festlegte, wann man mit den Jungs sich unterhalten durfte. Es war auch interessant, die Band zu beobachten. So standen wir im Cirkus-Krone-Bau in München an der Bühne und konnten beobachten, wie die Jungs mit total verstimmten Gitarren losgelegt haben. Trotzdem wurden sie gefeiert. Da musste es wohl noch höhere Werte gegeben haben.

Was war das für eine Zeit bei den Rattles?

Reichel: Wir waren noch sehr jung, eigentlich selbst noch Fans. Von professioneller Arbeit war das alles noch weit entfernt. Das war damals meine musikalische Kinderstube. Als dann der Wehrdienst dazwischen kam, dachte ich schon, jetzt ist alles vorbei. Aber es ging mit Wonderland weiter und unser Produzent war James Last. Ich war mir nicht sicher, ob der Ahnung von der Musik hatte, die wir machen wollten. Aber bei unserem ersten Hit „Moscow“ hat er unglaubliche unterschwellige Akzente gesetzt – vom Kosakenchor bis zum Balalaika-Konzert. Man dachte immer, das ist nur ein Megaverkäufer – aber wenn man ihn kannte, wusste man, was das für ein toller Mensch war.

Und irgendwann kam die Idee mit den Seemannsliedern.

Reichel: Ich hatte zu Hause etwas auf der Gitarre gespielt, um meine Finger geschmeidig zu halten. Beim Chuck-Berry-Rhythmus hatte ich plötzlich eine Melodie im Kopf und konnte diese zunächst gar nicht zuordnen. Erst später habe ich erfahren, dass das ein Shanty war und den Titel „Rolling Home“ trug. Darauf habe ich mich immer tiefer in die Materie rein gearbeitet.

Was macht den Reiz der Shantys aus?

Reichel: Sie sind eine kulturelle Mischform und so echte Weltmusik. Die Seefahrer waren viel unterwegs und haben für ihre Lieder verschiedene Einflüsse aufgenommen. Das mit RnB zu verbinden, war eine echte Goldader. Und ich stamme ja auch aus einer Seefahrerfamilie und wollte es meinen Vorfahren immer schon gleichtun. Später bin ich einfach mit den Liedern auf Reisen gegangen.

Dann kamen die Volkslieder und Balladen hinzu.

Reichel: Ja, nach dem gleichen Prinzip, alte Inhalte mit neuem Gewand zu präsentieren. Ich wollte die alten Lieder so spielen, wie es heute üblich ist. In England gab es zu dem Zeitpunkt eine große Folkrockszene, die es bei uns nicht gab. Da musste ich meinen Mut an den Start bringen und es einfach selbst machen. Man kann doch die eigene, kulturelle Vergangenheit nicht einfach in die Tonne treten. Die alten Dichter wie Fontane waren echte Wortmagier für mich und so habe ich ihren Texten angenommen. Das war eine glasklare Sprache, einfach großartig. In der Schule hatte ich dazu leider keinen Zugang gehabt.

Es gab aber auch moderne Dichter.

Reichel: Ja, da war Jörg Fauser, mit dem ich mich auf Anhieb verstanden habe. Es war herrlich, ihm beim Texten zu zuschauen. Er hat einen hohen Anteil, dass ich selbst mit dem Schreiben begonnen habe.

Und mit dem gemeinsamen Song „Der Spieler“ gab es den großen Erfolg.

Reichel: Und das war bei einen 5,20-Minuten-Song, der so gar nicht ins Radio passen wollte, absolut erstaunlich. Ich hätte nie gedacht, dass sich das Stück als Single durchsetzen würde.

Es gab bei so viel Experimentierfreude auch Skepsis.

Reichel: Bei den Volksliedern genauso wie bei den Storyteller-Konzerten, bei denen ich etwas aus meiner Karriere erzählt und den passenden Song dazu gespielt habe. Am Ende waren das 100 Konzerte. Man sollte bei sich selbst bleiben und sollte nicht auf die Dinge schielen, die auf dem Markt wichtig sind. Ich habe sehr früh begriffen, dass ich meine Fahne nicht in den Wind hängen darf.

Wie schwer war die Auswahl für das Album „Das Beste“?

Reichel: Sehr schwer. Ich musste mich immer fragen, was ich weglassen kann. So wurden die CDs bis zum Rande ihrer Speicherfähigkeit gefüllt. Später habe ich alles durchgehört und gedacht, das hat ein interessanter Kerl gemacht.

Sie kommen nach Köln und nach Düsseldorf. Welchen Bezug haben Sie zur Region?

Reichel: Die Rheinländer sind ein Menschenschlag, der mir liegt. Und dass es beim WDR den Rockpalast gibt, finde ich großartig. Lange hat ein solches TV-Format gefehlt, weil man nur noch auf Schlagerparaden gesetzt hat. Aber aktuell verlagert sich ja alles eher ins Internet.

Service: Das Album „Das Beste“ wird morgen veröffentlicht. Am Montag feiert Achim Reichel seinen 75. Geburtstag. Die Konzerte: 12. November: Köln Gloria und 16. November: Düsseldorf Savoy.

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