„An Karneval ging nichts mehr“

Gitarrist Matthias Jabs erinnert sich an Aufnahmen in Stommeln und an die Begegnung mit kölschem Brauchtum.

„An Karneval ging nichts mehr“
Foto: Oliver Rath

Herr Jabs, wie fühlt es sich an, in einer Band zu spielen, die es seit 50 Jahren gibt?

Matthias Jabs: Normalerweise würde ich mir darüber keine Gedanken machen, da mich das hier und heute viel mehr interessiert. Aber das Thema wird jetzt von überall an einen herangetragen. Ich bin 37 Jahre dabei, da sind zwei Drittel meines Lebens, es fühlt sich aber viel kürzer an.

Wie war das, als Sie Ende der 70er zu den Scorpions gekommen sind?

Jabs: Da war das eine Band, die am Wochenende in kleinen Clubs gespielt hat. Erst mit „Lovedrive“ haben wir 1979 den internationalen Durchbruch geschafft. Das war unsere erste weltweite Veröffentlichung und unsere erste Europatour.

Die Scorpions sind weltweit angesagt. Wie kam es dazu?

Jabs: Heute würde man sagen, das kam durch die digitale Vernetzung durch Facebook, Youtube & Co. Damals gab es das alles noch nicht und wir haben uns verwundert die Augen gerieben, als 1982 auf dem Rückweg von Japan zu zwei Konzerten in Bangkok jeweils 12 000 Menschen kamen. Heute wird das Album zeitgleich in 80 Ländern veröffentlicht, etwas versetzt kommen noch die USA und Kanada dazu. Außerdem ist es für uns kein Problem in Alaska genauso ausverkaufte Konzerte zu bekommen wie am Amazonas oder auf Hawaii.

„Wind of Change“ wurde 109 Millionen mal auf Vevo geklickt. Ist man auf so einen Hit stolz oder nervt er auch manchmal?

Jabs: Das mit den Klicks ist für mich nur schwer zu fassen und zu bewerten. Natürlich ist man stolz auf so einen guten Song, aber wenn man in einem Fernsehstudio die neue CD vorstellen will und erst mal „Wind of Change“ pfeifen soll, kann es auch schon etwas nervig sein.

Eigentlich standen die Zeichen schon 2010 auf Abschied.

Jabs: Ja, allerdings wollten wir uns nicht auflösen, sondern nur dem ewigen Hamsterrad zwischen Studio, Album und Tour entfliehen. Aber schon bei der Ankündigung der Tour wurde uns von unserem Label ein Vertrag über zwei weitere CDs vorgelegt, mit „Return to forever“ haben wir gerade das zweite veröffentlicht. Dazwischen kam noch das MTV-unplugged-Album, das uns gereizt hat.

Was für eine Idee stand hier dem jetzigen Album?

Jabs: Wir wollten unfertige Songs aus der Vergangenheit aufgreifen und vervollständigen. Es hat aber nicht lange gedauert, bis Ideen für ganz neue Songs entstanden sind. Anders als früher haben wir nicht ein dreiviertel Jahr dafür gebraucht, um die magische Version eines jeden Songs zu finden, sondern haben deutlich schneller und trotzdem entspannter mit dem Produzententeam gearbeitet. So gab es keinen Studiofrust, sondern frischen Sound und jede Menge Spaß für uns.

Also kein Gedanke mehr an Rücktritt.

Jabs: Im Moment ist das Interesse der Fans riesengroß, vor allem auch von jungen Fans, die etwa 80 Prozent unserer mehr als sechs Millionen Freunde auf Facebook ausmachen und die auch zu den Konzerten kommen. Wir haben jetzt reichlich Spaß in unserem Hamsterrad. Jetzt freuen wir uns auf eine Tour mit ausverkauften Konzerten, erstmals werden wir auch in China auftreten.

Im März kommenden Jahres kommen Sie in die Kölner Arena, was verbinden Sie mit dieser Stadt?

Jabs: Ich erinnere mich an großartige Konzerte in der Sporthalle und auch jetzt in dieser beeindruckenden Arena. Da herrscht eine geniale Atmosphäre. Einen weiteren Bezugspunkt gibt es durch Aufnahmen in den 70er- und 80er-Jahren in Stommeln, da waren wir oft in Köln und haben uns als Niedersachsen sogar den Karneval angeschaut.

Was war das für eine Erfahrung?

Jabs: Eine ganz besondere für eine norddeutsche Band. Da wird die ganze Stadt erfasst und auch bei uns im Studio ging gar nichts mehr. Da konnten wir entweder fliehen oder mitfeiern. Die Freude der Menschen am Karneval hat mich wirklich beeindruckt.

Was mögen Sie sonst noch in Köln?

Jabs: Neben der tollen Lage am Rhein ist es der Dom und seine Geschichte, die mich beeindrucken. Da wurde 500 Jahre lang gebaut und das über viele Generationen hinweg. Der erste Architekt hat wohl kaum etwas von den Dimensionen seines Bauwerks mitbekommen.

Gibt es für Sie nach all den Jahren noch Wünsche und Träume?

Jabs: Ja, Australien und Südafrika fehlt uns noch beim Touren. Ansonsten genieße ich jetzt einfach alles. Wir haben keinen Druck mehr und müssen keinem mehr etwas beweisen.

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