Teuerste deutsche Fernsehserie „Babylon Berlin“: Tom Tykwers monumentale TV-Serie

180 Drehtage, 2200 Stunden Material: Der Wuppertaler Regisseur und Drehbuchautor zeigte erste Ausschnitte von „Babylon Berlin“.

Teuerste deutsche Fernsehserie: „Babylon Berlin“: Tom Tykwers monumentale TV-Serie
Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Wuppertal. Früher haben Kinoregisseure über Fernsehserien abfällig die Nase gerümpft. Das hat sich jedoch seit dem internationalen Erfolg von Produktionen wie „Breaking Bad“, House of Cards“ und „Game of Thrones“ gründlich geändert. Auch in Deutschland haben Drogenkocher Walter White, Präsident Francis Underwood und die clevere Daenerys Targaryen große Fangemeinden, allerdings gibt es bisher keine deutsche Serie auf diesem Niveau. Das will Tom Tykwer mit der Großproduktion „Babylon Berlin“ ändern.

Die Idee dahinter ist die gleiche, die schon 2010 den US-Regisseur und Produzenten Martin Scorsese von der TV-Serie „Boardwalk Empire“ überzeugt hat: Eine Geschichte nicht in 90 oder 120 Minuten erzählen zu müssen, sondern sich Zeit lassen zu können. Satte 720 Minuten — 16 Episoden à 45 Minuten — hat der gebürtige Wuppertaler für den historischen Berlin-Krimi, der auf der Romanreihe „Der nasse Fisch“ von Volker Kutscher beruht. Tykwer nannte es ein „Geschenk“, dass er Figuren über 16 Folgen in all ihrer Detailtiefe verfolgen und eine Sittenbild der Weimarer Republik zeigen könne.

Es wird nicht gekleckert, sonder geklotzt in dieser Serie um den jungen Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch), der 1929 von Köln nach Berlin versetzt wird, sich dort in seine Assistentin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) verliebt und spektakuläre Verbrechen aufklärt. Auch an den Schauspielern wurde nicht gespart: Matthias Brandt, Hannah Herzsprung, Fritzi Haberland, Benno Fürmann, Udo Samel, Lars Eidinger, Günter Lamprecht. Im Studio Babelsberg wurde ein Berliner Straßenzug nachgebaut, in einer Szene agieren 300 Komparsen.

Mit fast drei Jahren Vorbereitung, mehr als 2200 Stunden Filmmaterial aus 180 Drehtagen und einem geschätzten Budget von rund 40 Millionen Euro dürfte „Babylon Berlin“ die bisher teuerste deutsche TV-Serie sein. „Die Hälfte des Materials haben wir noch gar nicht gesichtet“, sagte Tom Tykwer am Mittwochabend bei der Pressekonferenz in Berlin. Mit seinen Co-Autoren und Co-Regisseuren Achim von Borries und Henk Handloegten war der 51-Jährige direkt aus dem Schneideraum zu Clärchens Ballhaus gefahren.

Zu sehen gab es dann einen rasanten fünfeinhalb-minütigen Zusammenschnitt voller Gewalt, Sex und 20er Jahre Flair — doch das soll sich natürlich nicht konstant durchziehen. Tykwers erklärtes Ziel: „Es spielt in Berlin, es muss sich so anfühlen wie die Welt damals.“ Die unterschiedet sich jedoch oft gar nicht so sehr von der heutigen.

„Gegen Ende der 20er Jahre geht es immer mehr Leuten zu schnell, die Welt wird zu unübersichtlich und der Ruf nach der eisernen Faust wird lauter und lauter“, sagt Achim von Borris. „Im Laufe unserer Arbeit an ,Babylon Berlin’ glich sich die Welt immer mehr dieser Stimmung an. Unsere Serie ist heute aktueller denn je.“ Tom Tykwer: „1929 hat auch niemand vorausgesehen, dass dreieinhalb Jahre später die Nazis die Macht übernehmen.“

Die Dreharbeiten waren intensiv. „Nach fast drei Jahren Drehbucharbeit ans Set zu kommen, war eine unglaubliche Freude. Wir hatten über 180 Drehtage, teilweise haben zwei oder sogar drei Units parallel gedreht. Im Nachhinein ist kaum vorstellbar, wie wir das alle zusammen geschafft haben“, erzählt Tykwer. Die Postproduktion wird kaum weniger anstrengend. Denn das Material wird in drei verschiedenen Schnitträumen bearbeitet, zwischen denen die drei Regisseure hin und her wechseln.

Düster, temporeich und in opulenter Ausstattung kommt die Serie über den Bildschirm. Das trifft auch den aktuellen internationalen Geschmack. Das Interesse ist jedenfalls vielversprechend: Die Produktionsfirma Beta hat „Babylon Berlin“ bereits in die skandinavischen Länder von Island bis Finnland sowie nach Italien, England, Belgien und Spanien verkauft. Mit den USA und Frankreich laufen Verhandlungen.

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