Doppelter Abiturjahrgang verschärft Wohnungsnot

München (dpa) - Der doppelte Abiturjahrgang stellt nicht nur die Hochschulen vor große Herausforderungen, auch der Wohnungsmarkt für Studenten muss den Ansturm bewältigen. An mehreren Uni-Standorten herrscht akuter Mangel an „Studentenbuden“.

Seit einer Stunde steht Simon Stark in der Münchner Mensa in der Lothstraße. Alle Stühle sind besetzt - es ist der Wohnheimtag des Münchner Studentenwerks. Normalerweise findet er nur vor Beginn des Wintersemesters statt. Wegen des doppelten Abiturjahrgangs gibt es ihn dieses Jahr aber auch vor dem Start des Sommersemesters. Der 23-Jährige ist einer von über 125 angehenden Studenten, die die Chance nutzen wollen, sich per Losentscheid um einen Wohnheimplatz in München zu bewerben.

Wer sich regulär für einen der 10 000 Wohnheimplätze des Münchner Studentenwerks bewirbt, muss im Moment mit einer Wartezeit bis zu vier Semestern rechnen. Simon Stark sucht seit zwei Monaten vergeblich. „Ich bin schon sechsmal aus Stuttgart hergekommen, um nach WG-Zimmern zu suchen, aber es gibt einfach zu viele Bewerber.“

Zum Sommersemester hält sich der Ansturm auf Studentenwohnungen in Bayern normalerweise in Grenzen, weil von den 60 000 Studienanfängern im Freistaat nur rund 4000 im Sommer beginnen. Da wegen des doppelten Abi-Jahrgangs die Prüfungen des neunstufigen Gymnasiums (G9) bereits vorüber ist, können die 36 500 letzten G9-Abiturienten schon zum Sommer ihr Studium aufnehmen. Nach Angaben des Kultusministeriums wollen zwar nur 15 Prozent von ihnen tatsächlich schon jetzt studieren. Die Zahl der Studienanfänger zum Sommersemester wird dennoch mehr als verdoppelt und die Wohnungsnot weiter verschärft.

In Bamberg herrscht schon seit vergangenem Wintersemester akuter Wohnraummangel für Studenten. Marina Prüller bekam im September 2010 die Zusage für ihren Master in Soziologie und machte sich sofort auf Wohnungssuche - ohne Erfolg. „Es gab einfach zu viele Bewerber auf ein einziges WG-Zimmer“, berichtet sie. „Auch über das Studentenwerk habe ich kein Zimmer bekommen.“ Die ersten Studienwochen verbrachte die 24-Jährige bei einer Freundin, danach mietete sie vorübergehend eine Ferienwohnung. Ende Januar fand sie endlich ein Zimmer auf Zeit.

Die Zahl der Studierenden hat sich in Bamberg innerhalb des vergangenen Jahres von rund 9100 auf über 11 000 erhöht, weil einige zulassungsbeschränkte Studiengänge geöffnet wurden. „Wir gehen im Moment von 500 fehlenden Studentenwohnungen aus“, sagt Bambergs Pressesprecherin Ulrike Siebenhaar. Um die Wohnungsnot wenigstens ein wenig zu lindern, werden nun auf einem städtischen Grundstück vom Studentenwerk 50 Containerwohnungen errichtet.

In anderen Universitätsstädten ist die Wohnungssituation noch entspannt. Die Katholische Universität Eichstätt rechnet nicht mit einem Engpass. Mit derzeit 4573 eingeschriebenen Studenten ist der Höchststand von 2005 mit über 5000 Studenten noch nicht erreicht. Auch Würzburg ist bisher nicht überlastet. Das dortige Studentenwerk hat gerade ein neues Wohnheim mit 48 Plätzen eröffnet. Ähnlich sieht es in Bayreuth aus. „Wir haben einen Großteil der Bewerber untergebracht. Das Gros kommt erst im Wintersemester“, glaubt Monika Zenkel vom Studentenwerk Oberfranken.

In Augsburg konnte das Studentenwerk zwar nur die Hälfte der Wohnheimbewerber zum Sommersemester unterbringen, über seine Privatzimmervermittlung sind aber noch Räume verfügbar. Im Herbst werden außerdem 300 neue Wohneinheiten bezugsfertig. Auch das für die Unis in Passau und Regensburg zuständige Studentenwerk rechnet nicht mit einem Wohnungsengpass. Allein in Regensburg seien von 2005 bis 2011 mehr als 1200 Zimmer in privat finanzierten Studentenwohnheimen gebaut worden.

In Erlangen und Ingolstadt dagegen befürchtet Otto de Ponte vom dortigen Studentenwerk erhebliche Engpässe. „Jeder fünfte der rund 100 000 Einwohner in Erlangen ist Student. Auf eine kleine Stadt kommt somit eine hohe Zahl von Studierenden, die außerdem auf dem Wohnungsmarkt mit den jungen Arbeitnehmern von Siemens konkurrieren müssen“, erläutert de Ponte. „Genauso verhält es sich in Ingolstadt mit den Mitarbeitern von Audi.“ In Ingolstadt gibt es nur rund 420 Wohnheimplätze für fast 4000 Studierende. Eine Bundeswehrkaserne wird gerade in 130 Studentenwohnungen umgebaut - Einzugstermin: Herbst.

In München bangt Simon Stark noch immer, ob er einen der begehrten Wohnheimplätze des Studentenwerks ergattern kann. Endlich beginnt die Verlosung. Seine Chancen stehen bei 125 Bewerben für 109 freie Plätze gut. Im vergangenen Wintersemester waren es 500 Bewerber auf die gleiche Anzahl von Zimmern. Und er hat Glück: Nach wenigen Aufrufen fällt bereits sein Name. Sofort unterschreibt Stark den Mietvertrag. Dabei weiß er noch nicht einmal, in welches Wohnheim er einziehen wird. „Das ist mir erst mal egal“, sagt er erleichtert. „Ich bin einfach nur froh, dass ich jetzt eine Wohnung habe.“

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