Wuppertaler Geschichte Urbanisierung und Selbstinszenierung

Detlef Vonde über den Elberfelder Oberbürgermeister Johann Rütger Brüning.

 Brüning

Brüning

Foto: gemeinfrei

Die Geschichte der Oberbürgermeister kennt solche, die als „One Hit Wonder“ mit Mühe gerade eine Amtszeit überstanden, aber auch das Gegenteil: Vierundzwanzig Jahre lang höchster Repräsentant von Elberfeld – diesen Rekord schaffte im frühen 19. Jahrhundert ein gewisser Johann Rütger Brüning. Die Brünings waren eine Kaufmannsfamilie aus Radevormwald.

Im August 1775 erblickte Sohn Johann Rütger das Licht der Welt. Kindheit und Jugend verbrachte er auf den höheren Schulen Elberfelds, lebte aber schon bald mit einem echten Handicap: Bei einem Schuss mit der Armbrust verlor er das rechte Auge. Das hatte Auswirkungen auf die Berufswahl: Statt Theologie zu studieren, wurde er Kaufmann, übernahm nach dem frühen Tod des Vaters dessen Kommissionshandel mit Leinengarn und heiratete eine betuchte Kaufmannstochter. Im Alter von 27 Jahren wurde Brüning dann Ratsmitglied der Stadt Elberfeld und schließlich 1806 - auf ein Jahr befristet - zum Bürgermeister ernannt, bevor er als Stadtrichter amtierte. Im neuen Großherzogtum Berg unter französischer Vorherrschaft wurde Brüning zunächst einer von drei Beigeordneten und 1813 „Maire“, also Bürgermeister von Elberfeld per Dekret durch Napoleon persönlich. Das Ende der Franzosenzeit bedeutete für Brüning keinen Karriereknick: Er verblieb weiter im Amt und wurde vom Generalgouverneur zum „Oberbürgermeister“ ernannt, ein Titel, den er auch behielt, als das Großherzogtum 1815 preußisch wurde. 1823 legte er durch geschäftlichen Misserfolg zermürbt sein öffentliches Amt nieder, bevor man ihn zwei Jahre später wieder im Amt sah.

In seine lange Amtszeit fiel die Ära eines aufstrebenden Bürgertums, das seinen immensen Reichtum vor allem der florierenden Textilindustrie verdankte und das sich nunmehr selbst zu inszenieren suchte: in repräsentativer Architektur und in ehrgeizigem Städtebau. An der neuen „Königsstraße“ (heute Friedrich-Ebert-Straße) entstanden klassizistische Wohnhäuser als schmucke Stadtresidenzen, etwa für den Bankier Daniel von der Heydt, aber auch für Brüning selbst. Öffentliche Gebäude wie die Stadtwaage, das Schlacht- und Armenhaus waren Ausdruck des Bedeutungszuwachses kommunaler Selbstverwaltung und der „Daseinsvorsorge“ in dieser Zeit.

Und die blieb exklusive Angelegenheit des lokalen Großbürgertums. Man dachte tatsächlich „groß“, was sich in den Dimensionen des im Bau befindlichen neuen Rathauses, aber auch in übertriebenen städtebaulichen Phantasien wie der nach Mailänder Vorbild geplanten, großen Rundanlage des Königsplatzes (heute Laurentiusplatz) ausdrückte. Allerdings: Der Plan verkümmerte auf dem Papier. Zu Brünings besonderen Verwaltungsleistungen zählte insbesondere der Ausbau des gesamten Verkehrs- und Straßenwesens, der kommunalen Einrichtungen (Stadtsparkasse, Feuerwehr), die örtliche Schulentwicklung (Gewerbe- und Realschule), der Armenverwaltung und schließlich die Entstehung des Landgerichtes ab 1834. Solche Erfolge verschafften ihm aber nicht nur Freunde unter den Elberfelder Honoratioren. Für den Vorsitz der 1831 neugeschaffenen Industrie- und Handelskammer von Elberfeld und Barmen etwa kam er nach internen Diskussionen der Protagonisten ausdrücklich nicht in Frage.

Frühe
Fusionspläne

Das mag daran gelegen haben, dass Brüning offenbar ein Meister der Selbstinszenierung war, der „seine“ Verwaltungsleistungen akribisch aufzeichnen ließ und als frühe Blütenlesen eigener Verdienste in den „Annalen der Stadt Elberfeld“ heraus gab. Aus einem posthum gedruckten „Nekrolog“ von 1840 geht hervor, dass Brüning bei einem seiner Berlin-Besuche in den Vorzimmern des Monarchen auch den Pionier-Plan einer Fusion der Städte Barmen und Elberfeld ins Gespräch gebracht haben soll. Klaus Goebel hat im Geheimen Staatarchiv Merseburg vor Jahren die Akten dazu gefunden und den Vorgang beschrieben.

Was daraus wurde, ist bekannt, das Thema aber war damit in der Welt. Das Persönlichkeitsbild dieses widersprüchlichen Oberbürgermeisters aber war auch geprägt durch antijüdisches Denken und obrigkeitshöriges Handeln, das im politischen Klima der Zeit jegliche Opposition im Keim zu ersticken suchte und auf politische Beharrung setzte. Johann Rütger Brüning starb am 22. Juli 1837 völlig überraschend auf dem Heimweg in Unterbarmen im Hause eines Bäckers.

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