Cornelius Völker: Kunst zwischen Feinripp und Abfluss

Meerschweinchen, Bäuche und Pistolen: Die neue Ausstellung ist ein Volltreffer.

Wuppertal. „Das waren die teuersten Modelle, mit denen ich jemals gearbeitet habe.“ Wer jetzt denkt, dass Cornelius Völker Topmodels wie Claudia Schiffer oder Heidi Klum in seinem Atelier hatte, kennt die Vorlieben des Künstlers nicht. Der Maler bevorzugt Motive, die nicht — im wahrsten Sinne des Wortes — exklusiv sind, die auf den ersten Blick banal erscheinen, einen handfesten Bezug zur Realität haben und zugleich ironisch verarbeitet werden können.

Dazu gehören aus Sicht des Künstlers auch Waffen. Wobei der gebürtige Bayer, der ab Sonntag in der Kunsthalle in Barmen ausstellt, eines nicht ahnte: Dass Gaspistolen die luxuriösesten Vorlagen sind, mit denen er jemals gearbeitet hat, ist eine Erkenntnis, mit der Völker so nicht gerechnet hatte.

„Als ich die Idee hatte, Pistolen zu malen, wollte ich in einem Düsseldorfer Waffengeschäft eigentlich nur einige Modelle ausleihen“, erzählt Völker mit einem Schmunzeln. Denn was dem Maler nur logisch erschien, löste eine klare Reaktion aus: Der Verkäufer schüttelte verblüfft mit dem Kopf. So blieb nur Plan B: „Ich habe dann im Geschäft Fotos gemacht. Aber das reichte nicht, wie ich im Atelier feststellte.“ Also ging der Maler zielstrebig zurück: „Ich habe mir dann alle Gaspistolen gekauft, die ich malen wollte.“

Wer jetzt aufschreien möchte, weil Völker mit Schreckschusspistolen hantiert hst und Waffen zu Kunst erklärt, sollte bedenken, was dahinter steckt: „Die Ambivalenz hat mich fasziniert. Die Schönheit des Materials steht der Vorstellung des Schreckens gegenüber“, erklärt der Maler, der in Düsseldorf und New York lebt.

Die drei Pistolen-Bilder, die er — neben 52 weiteren Arbeiten — ab Sonntag in der Kunsthalle präsentiert, wirken wie glänzende Schmuckstücke und nicht wie gefährliche Waffen. „Wenn man so will, ist das nicht politisch korrekt“, gibt der Künstler zu. Doch genau das ist auch (nicht) seine Absicht: „Ich male eben nicht mit dem erhobenen Zeigefinger.“

Was für Waffen gilt, erhebt Völker auch andernorts zum Prinzip. Deshalb ist der Weg von Pistolen zu Menschen in Feinripp-Unterwäsche nicht weit: Zwei entsprechende Serien hängen in Barmen nah beieinander. „Es spricht mehr gegen das, was ich male, als dafür“, fasst Völker zusammen. In diesem Fall — einem nahezu nackten Körper, der nicht unbedingt einem Adonis gleicht — hat ihn eine allzu menschliche Neugier getrieben. Eine ganz bestimmte Frage, um genau zu sein: „Wie kann man Haut darstellen?“

Die Antwort ist so einfach wie komplex: Das Material spielt die entscheidende Rolle — wie bei allen Völker-Werken. Bei der Feinripp-Unterhose haben sich deshalb nicht zufällig dicke Schichten eingeschlichen: „Ich habe bewusst ,Malfehler’ fabriziert“, erklärt der Künstler. „Ich wollte, dass die Ölfarbe Falten wirft, und Blasen entstehen.“ Das Ergebnis ist faszinierend — ein echter Hingucker eben. Die raffiniert gesetzten Farbflecken verblüffen: Mehr als lebensgroß ist die Körpermitte, der Beine und Haupt fehlen — was zählt, ist die Unterwäsche samt Faltenwurf. Buchstäblich kopflos sind auch andere Figuren, die Völker in Barmen positioniert — auch sie zeigen, dass es nicht um die Gegenstände an sich, sondern vor allem um die Malerei und das Material geht. Völker hat deshalb auch keine individuellen Porträts im Sinn: „Ich bin nicht so sehr am Psychologischen, sondern am Allgemeinen interessiert.“

Das zeigt sich nicht zuletzt an scheinbar Banalem. Männer und Frauen nutzten unterschiedliche Wege, einen Pulli auszuziehen — also hat Völker alle denkbaren Alternativen gemalt. „Die Pullover-Bilder spiegeln filmisches Denken. Sie wirken wie eingefrorene Bewegungsabläufe“, sagt der Künstler, der den Blick zwar nicht auf das Individuum, wohl aber auf natürliche Eigenheiten lenkt — auf kleine Bäuche wie hängende Schultern. Auch bei einem tierischen Motiv offenbart sich die Liebe zum Detail: „Bevor ich eine Serie male, beschäftige ich mich oft monatelang mit einem Thema.“ So suchte Völker in einer Bibliothek Literatur über Meerschweinchen — im Gegensatz zu den Pistolen durfte er sie am Ende tatsächlich ausleihen . . .

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